Flaniermeile oder Baumrettung
Promenadenprojekt sorgt für Aufregung in Lübeck
Die geplante Beseitigung von 48 alten Winterlinden beschäftigt die Stadtpolitik von Lübeck (Schleswig-Holstein). Ein Bürgerbegehren gegen die Baumfällung – mindestens 7100 Unterschriften sind nötig – und ein nachfolgender Bürgerentscheid könnten den Stadtplanern einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen. Denn werden die Bäume gerettet, muss sich die Stadt wohl vom Projekt einer neuen verkehrsberuhigten Flanierpromenade in der Innenstadt verabschieden.
Das Aufhübschen eines 800 Meter langen Straßenabschnitts an der Untertrave für 15,6 Millionen Euro war in der Bürgerschaft bereits beschlossen worden, auch weil man noch mehr Autoverkehr aus der City verbannen will. Der klammen Hansestadt winken dafür Zuschüsse von EU, Bund und Land in Höhe von insgesamt rund zwölf Millionen Euro. Die Bedingung dafür aber, dass 3,4 Millionen an Bundesmitteln fließen, ist die Fertigstellung des geplanten Projekts bis Ende nächsten Jahres.
Nun könnte die Empörung über die erst kürzlich bekannt gewordenen Pläne, für den Promenadenbau 48 große Linden zu opfern, die Zahlung der Bundesmittel verhindern – selbst wenn am Ende das Quorum gegen die Fällung gar nicht erreicht werden sollte. Denn die Bäume würden bereits ab erfolgreichem Bürgerbegehren und Zulassung des Bürgerentscheids unter Schutz stehen. Damit wäre im Oktober zu rechnen. Was wiederum bedeuten würde: Das Vorhaben könnte weder rechtzeitig starten, noch fristgerecht zu seinem Abschluss kommen.
Die dann wegfallenden 3,4 Millionen Euro Bundesförderung wären aus dem Lübecker Stadtsäckel auch nicht zu ersetzen, dazu sieht man sich seitens der Stadt nicht in der Lage. Bei den bislang veranlagten drei Millionen Euro Eigenanteil ist das Ende der Fahnenstange angeblich schon erreicht. Die Bauverwaltung äußert sich denn auch unmissverständlich: Eine Unterschrift für den Verbleib der Linden würde zugleich eine Unterschrift für das Ende des angestrebten Modernisierungsprojekts bedeuten, für das im Übrigen eine Ersatzpflanzung von 60 sogenannten japanischen Perlschnurbäumen vorgesehen war.
Die Lage ist verworren: Ein breites Aktionsbündnis mit dem Namen »Lübecks Linden leben lassen« möchte die heimischen Hölzer retten – von Gehölzen aus Fernost hält man ohnehin nichts. Inzwischen signalisierte Lübecks Bausenator Franz-Peter Boden (SPD) zwar, als Ersatzpflanzung auch auf heimische Bäume zurückgreifen zu wollen. Für die Fraktion Grün Alternativ Links (GAL) ist das nicht akzeptabel: Sie will den Kahlschlag verhindern, weil die Kettensägen ein intaktes innerstädtisches Ökosystem beseitigen würden, das etwa Honigbienen mit Nektar versorgt.
In einem Gutachten ist wiederum davon die Rede, dass die Linden sowieso nur noch eine Lebenserwartung von zehn Jahren hätten. Unter Verweis darauf wollen die Verantwortlichen sich auch nicht auf den Vorschlag einlassen, den jetzigen Bestand ins Promenadenkonzept einzubeziehen. Doch die Lebensdauer gesunder Linden beträgt eigentlich mindestens 400 Jahre – die Bäume an der Untertrave sind erst rund 50 Jahre alt. Auch deshalb zweifeln Aktionsbündnismitglieder das Gutachten an und haben einen anderen Baumexperten zu Rate gezogen. Für Umbaumaßnahmen hat sich die Stadt übrigens stets am 2003 erstellten Gestaltungskonzept von Landschaftsarchitekten orientiert. Dort ist an der Untertrave eine Baumreihe mit den jetzigen Linden zu sehen.