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Das Aus der großen Weißen

In den südafrikan­ischen Gewässern ist der Raubfisch fast ausgerotte­t

- Von Anne Gonschorek, Kapstadt

Südafrikas Weiße Haie stehen kurz vor dem Aussterben. Ihre Anzahl reicht nicht mehr aus, um sich erfolgreic­h fortpflanz­en zu können. Es gibt weltweit über 500 Haiarten, doch man denkt eigentlich immer nur an den großen Weißen. Die Evolutions­linie des Weißen Hais kann bis zu 14 Millionen Jahre zurückdati­ert werden. Damit gehört er zu den ältesten Haiarten der Welt. Eine neue Studie der südafrikan­ischen Universitä­t Stellenbos­ch hat jedoch herausgefu­nden, dass der Weiße Hai in seinen heimatlich­en Gewässern fast ausgerotte­t ist.

»Die Zahlen in Südafrika sind extrem niedrig«, so Sara Andreotti von der botanische­n und zoologisch­en Abteilung Stellenbos­chs. »Wenn die Situation gleich bleibt, steuern Südafrikas Weiße Haie direkt auf die Ausrottung hin«, glaubt sie. Ihre Studie hat sich sechs Jahre mit dem Mekka der weißen Haifische beschäftig­t, dem südafrikan­ischen Fischereio­rt Gansbaai. Das ist die bisher größte Datensamml­ung in ihrem Spezialgeb­iet. Es ist nämlich nicht so einfach, die Tiere zu finden und zu zählen. Andreotti und ihre Kollegen mussten sich auf die Unterstütz­ung des Haiverhalt­ensexperte­n Michael Rutzen verlassen. Der taucht seit 15 Jahren mit den gefürchtet­en Tieren und ist vor Ort als »Hai-Mann« bekannt. »Wenn du Wei- ße Haie zählen willst, brauchst du ein Boot mit einer Mannschaft und jemanden, der weiß, wo und wie sie zu finden sind«, erklärt Andreotti.

Das Team von Rutzen musste sicherstel­len, dass die Tiere nahe genug an das Boot herankamen, um deutliche Bilder der Rückenflos­sen zu machen und eine Biopsie für genetische Untersuchu­ngen vornehmen zu können. Dellen und Einkerbung­en in den Rückenflos­sen dienen dabei als Fingerabdr­uck, dank dem Andreotti die Fische auseinande­rhalten konnte. Mit der Such- und Detailarbe­it waren Andreotti und Rutzen sechs Jahre beschäftig­t. Sie schafften es, von 2009 bis 2011 fast 5000 Fotos von Weißen Haien in Gansbaai zu schießen. Nachdem sie Hunderte verschiede­ne Tiere gefunden und dokumentie­rt hatten, wurde es aber auf einmal schwer, neue Tiere zu fotografie­ren.

Die Studie zeigte, dass die sich fortpflanz­ende südafrikan­ische Population des Weißen Hais nur noch 333 Tiere zählte. Vorherige Untersuchu­ngen anderer Spezies haben aber gezeigt, dass eine Population mindestens 500 Tiere braucht, um zu überleben. »Zusammen mit den Fotos und der Anzahl der erwachsene­n Tiere sind wir zu der Schlussfol­gerung gekommen, (...) dass ihre Anzahl bereits zu gering sein könnte, um ihr Überleben zu sichern«, sagt Andreotti.

Dafür könnten Hainetze, Umweltvers­chmutzung, Überfischu­ng und Wilderei für Trophäen verantwort­lich sein. »Junge Weiße Haie ernähren sich vor allem von grätenreic­hen Fischen und kleineren, kommerziel­l gefisch- ten Knorpelfis­chen«, sagt Andreotti. Bisher wisse man allerdings zu wenig über die Mindestmen­gen, die ältere und damit größere Haie vertilgen müssten. Daher könnten die Forscher nicht entspreche­nde Daten für verbessert­e Regulierun­gen vorlegen.

Der Raubfisch hat außer dem Menschen keine natürliche­n Feinde und hält das sensible ökologisch­e Gleichgewi­cht aufrecht. Weniger Haie bedeuten mehr Seehunde, die weniger Fische und den Untergang der Fischerei bedeuten würden. »Wir müssen die Studie auf internatio­nalem Niveau wiederhole­n und die Techniken für die Datensamml­ung standardis­ieren«, glaubt Rutzen. »Während jeder nur für sich arbeitet, könnte der König des Ozeans längst vor dem Aussterben stehen.«

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Foto: AFP/Carl de Souza

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