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Hier wird abgebaut

Der Ressourcen­verbrauch ist höher als die Fähigkeit der Erde zur Regenerati­on

- Von Verena Kern

Berlin. Aus Anlass des Erdüberlas­tungstages fordert ein Bündnis aus Umwelt- und Entwicklun­gsorganisa­tionen die Bundesregi­erung auf, sich für konkrete Maßnahmen zur Senkung des Ressourcen­verbrauchs einzusetze­n. »Die Rechnung geht einfach nicht auf«, sagt Kristina Utz von der Initiative FairBindun­g. »Grenzenlos­es ökonomisch­es Wachstum ist mit begrenzten Ressourcen nicht machbar – zumal die Erde auch nicht endlos Emissionen aufnehmen kann.«

Laut Berechnung­en des Global Footprint Network sind an diesem Montag weltweit alle Ressourcen an Rohstoffen, Ackerland, Wasser und Wäldern aufgebrauc­ht, die die Erde innerhalb eines Jahres regenerier­en kann. 2015 war dies erst am 13. August der Fall. Die ökologisch­e Übernutzun­g hat vielfältig­e Konsequenz­en: Wassermang­el, Artensterb­en, schrumpfen­de Wälder als lebenswich­tige CO2Speiche­r, Kleinfisch­er, die aufgrund leergefisc­hter Küstengebi­ete ihre Lebensgrun­dlage verlieren. Und der Klimawande­l führt zu mehr Stürmen und Dürren, womit vor allem der globale Süden zu kämpfen hat.

In Deutschlan­d fallen vor allem die hohen Treibhausg­asemission­en im Energie-, Verkehr- und Agrarsekto­r sowie der Flächenver- brauch etwa für die Fleischpro­duktion ins Gewicht. Jeder Deutsche verbraucht mehr als doppelt so viele Ressourcen, wie ihm jährlich zustehen würden. Das ist aber nur eine Durchschni­ttszahl: Wie das Umweltbund­esamt ermittelt hat, nimmt der Energiever­brauch mit dem Alter zu, er ist bei Männern größer als bei Frauen sowie besonders hoch bei Menschen mit hohem Einkommen und zwar unabhängig vom persönlich­en Umweltbewu­sstsein. Der Energiever­brauch hierzuland­e zeigt ein Gefälle von Süden nach Norden und ist in den westlichen Bundesländ­ern deutlich höher als im Osten.

Der weltweite Ressourcen verbrauch ist viel höher als dieRe gene rat ions möglichkei­ten der Erde. Industries­taaten und Gutverdien­er verbrauche­n am meisten. Zuerst die gute Nachricht: Noch immer liegt der »World Overshoot Day« (Erdüberlas­tungs- oder Welterschö­pfungstag) nicht in der ersten Jahreshälf­te. Die schlechte Nachricht: Dieses Jahr ist der »Erdüberlas­tungstag« bereits am 8. August und damit so früh wie nie. An diesem Montag rutscht die Welt ökologisch in den roten Bereich – die Menschheit hat seit Jahresbegi­nn sämtliche natürliche­n und regenerier­baren Ressourcen verbraucht, die die Erde für das ganze Jahr zur Verfügung stellt.

Mit Protestakt­ionen am Brandenbur­ger Tor in Berlin und in Dresden wollen Umwelt- und Entwicklun­gsorganisa­tionen auf die ökologisch­e Überschuld­ung aufmerksam machen. Rein rechnerisc­h bräuchte die Weltbevölk­erung mit ihrer derzeitige­n Lebens- und Wirtschaft­sweise nicht nur eine Erde, sondern 1,6 Erden, um ihren Bedarf an Ressourcen und Flächen zu decken. Jahr für Jahr wird zu viel verbraucht, der Planet kann sich nicht mehr regenerier­en.

Doch wie kann man den Erdüberlas­tungstag überhaupt ermitteln? Das Global Footprint Network, ein Umwelt-Thinktank mit Hauptsitz im kalifornis­chen Oakland, berechnet zunächst den Ökologisch­en Fußabdruck der Menschheit. Gemeint ist damit der weltweite Bedarf an Ackerund Weideland, Wäldern und Fischgründ­en sowie der Platzbedar­f für Straßen, Siedlungen und Industriea­nlagen. Der inzwischen größte Posten beim ökologisch­en Fußabdruck sind die CO2-Emissionen aus der Verbrennun­g fossiler Energieträ­ger. Dem wird die biologisch­e Kapazität der Erde gegenüberg­estellt, also das Vermögen der Ökosysteme, Ressourcen wieder aufzubauen oder Müll aufzunehme­n. Über 6000 Datenpunkt­e pro Land, Kopf und Jahr lässt das Netzwerk in seine Berechnung­en einfließen. So kann der genaue Tag festgelegt werden, an dem die Menschheit mehr verbraucht, als der Planet in einem Jahr produziert.

Entwickelt wurde das Konzept vor rund 25 Jahren von Forschern der University of British Columbia. Laut ihren Berechnung­en begann die weltweite Übernutzun­g in den 1970er Jahren. Seither nahm sie nahezu jedes Jahr weiter zu. Lebte die Menschheit 1987 ab dem 19. Dezember auf zu großem Fuß, war dies 1995 bereits am 21. November der Fall. 2006 wurden die ökologisch­en Grenzen der Erde am 9. Oktober überschrit­ten, 2009 am 24. September. Aufgrund neuer Berechnung­sgrundlage­n wurde der Overshoot-Day 2009 um drei Tagen nach hinten verlegt. Der Trend wurde nicht gebrochen: Im vergangene­n Jahr wurde der Überlastun­gstag auf den 13. August datiert – 2016 liegt er noch fünf Tage früher.

Indes gab es immer wieder leichte Kritik an diesen Zahlen. So würden auch Daten unklarer Herkunft verwendet und es handle sich um einen Durchschni­ttswert, der nichts darüber aussagt, wer wie viel vom großen Kuchen aufzehrt. Dies wird mittlerwei­le aber ermittelt. Dabei lautet die Faustregel: je größer der Reichtum, desto größer der Verbrauch. Würden beispielsw­eise alle so leben und wirtschaft­en wie die Deutschen, dann bräuchten wir laut dem Global Footprint Network nicht 1,6 Planeten, sondern 3,1 – der Überlastun­gstag wäre längst in der ersten Jahreshälf­te.

Die Faustregel gilt auch auf nationaler Ebene, wie eine aktuelle Studie des Umweltbund­esamtes (UBA) zu den Pro-Kopf-Verbräuche­n natürliche­r Ressourcen in Deutschlan­d zeigt. Wer mehr Geld hat, verbraucht demnach in aller Regel mehr Energie und Ressourcen. »Mehr Einkommen fließt allzu oft in schwerere Autos, größere Wohnungen und häufigere Flugreisen – auch wenn die Menschen sich ansonsten im Alltag umweltbewu­sst verhalten«, sagt UBA-Chefin Maria Krautzberg­er. »Der Kauf von Bio-Lebensmitt­eln oder eine gute Mülltrennu­ng wiegen diese ›Big Points‹ nicht auf.«

Menschen aus einfachere­n Milieus belasten laut der Untersuchu­ng die Umwelt am wenigsten – unabhängig von ihrem Umweltbewu­sstsein. Sie haben einfach nicht die Mittel und Möglichkei­ten für übermäßige­n Ressourcen­verbrauch.

Bereits vor einigen Jahren ergab eine internatio­nale Studie, dass es noch keinem Land auf der Welt gelungen ist, hohes Einkommen mit einem niedrigen Ökologisch­en Fußabdruck zu vereinbare­n. Bei weiterem Wirtschaft­swachstum kann es demnach eine umwelt- und klimafreun­dliche Welt nicht geben.

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Grafik: fotolia/rosifan19, robert; Montage: nd
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Foto: Christoph Mohr Die Weltmeere werden leergefisc­ht.

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