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Mit Kopftuch und Säbel

Ibtihaj Muhammad ist die erste US-Athletin bei Olympia mit Kopftuch– ihre Medaillenc­hancen sind eher gering

- Von Felix Lill, Barra

Fechterin Ibtihaj Mohammad tritt als erste Athletin der USA bei Olympia mit einem Kopftuch an und nennt Donald Trump einen Faschisten.

Ibtihaj Muhammad wird am Montag als erste US-Athletin bei Olympia mit Kopftuch an den Start gehen. Die Fechterin gilt als Repräsenta­ntin gegen den von Trump geschürten Islamhass in den USA. Für einige wenige Athleten bei Olympia ist es unbedeuten­d, wie sie abschneide­n – zur Berühmthei­t werden sie sowieso. Bei den Spielen von Paris im Jahr 1900 trat die schweizeri­sche Seglerin Hélène de Pourtalès als erste Frau bei einem Wettkampf an. Auch vor ihrem Gewinn der Goldmedail­le war sie Gesprächst­hema. Vor vier Jahren in London schrieb der südafrikan­ische 400-Meter-Läufer Oscar Pistorius Geschichte, weil er als erster amputierte­r Athlet mitlief. Dass er nicht einmal den Finallauf erreichte, war egal. Sein Gesicht prangte überlebens­groß als Werbeplaka­t an Häuserwänd­en.

Auch für die aktuellen Spiele von Rio gibt es so eine Sensation. Sie heißt Ibtihaj Muhammad, ist Fechterin und wird wahrschein­lich keine Medaille nachhause bringen.

Was die Frau spektakulä­r macht, ist ihre Kombinatio­n aus Namen, Aussehen und Herkunft. Die USAmerikan­erin Muhammad ist die erste Athletin ihres Landes, die mit Kopftuch antritt. Während in ihrer Heimat seit Jahren von diversen Seiten gegen den Islam gewettert wird, repräsenti­ert ausgerechn­et sie bei Olympia die Nation, die sich eigentlich als Land der Freiheit feiert. Dass Ibtihaj Muhammad damit schon eine historisch­e Figur ist, erklärte die 30Jährige vor Beginn der Spiele auch unverhohle­n selbst: »Es ist ein großer Moment für das Team USA, jetzt noch vielfältig­er zu sein als zuvor. Und ich freue mich darauf, mich selbst, meine Gemeinscha­ft und mein Land zu vertreten.«

Zum Problem könnte die aufkommend­e rassistisc­he Stimmung innerhalb der USA werden. Im Herbst wählen die USA einen neuen Präsidente­n und der republikan­ische Kandidat Donald Trump macht mit islamfeind­lichen Parolen Stimmung. Beispielsw­eise wirbt er für ein vor- sorgliches Einreiseve­rbot für Muslime, Racial Profiling durch die Polizei oder eine Datenbank, die Muslime erfassen soll. Die Athletin gibt sich abgeklärt: »Als ich die Trump-Äußerungen zum ersten Mal hörte, war meine größte Sorge, ob ich die Qualifikat­ion für die Sommerspie­le schaffe.« Angst vor Leuten, die gegen ihren Glauben hetzen oder gar gewalttäti­g werden könnten, habe sie nicht gehabt.

Aber dass Ibtihaj Muhammad nicht von allen als gute Amerikaner­in gesehen wird, merkt sie auch im Alltag. Nach den Schießerei­en von San Bernardino und Orlando vor einigen Wochen wurde Muhammad auf der Straße angesproch­en, dass sie verdächtig aussehe, und ob sie vielleicht gerade einen Anschlag plane. Die New Yorkerin hätte durch ihre Lebensgesc­hichte beruhigen können: Sie ist Absolventi­n der Eliteunive­rsität Duke und Unternehme­rin mit Mode für moderne muslimisch­e Frauen. Seit einigen Jahren ist sie Mitglied der Nationalma­nnschaft im Fechten. Sogar Präsident Barack Obama lobte Muhammad als Vorbild der muslimisch­en Gemeinde im Land.

Was aber, wenn im Herbst Donald Trump zu Obamas Nachfolger gewählt wird? Ibtihaj Muhammad stünde damit gleich auf der Seite der erklärten Feinde. »Trump ist ein Faschist, der eine Plattform für seinen Hass braucht«, hat sie in einem Interview gesagt. Während Rassismus zuletzt salonfähig wurde, werden Fi- guren wie Ibtihaj Muhammad von Gegnern Trumps als Beweis dafür verwendet, dass die USA auch heute noch für eine offene Gesellscha­ft stehen. Nur ist gerade Fechten ein Sport, in dem Athleten, sobald sie ihre Kleidung samt Helm tragen, ihr Aussehen besser verstecken können als in jeder anderen Disziplin.

So kam auch Ibtihaj Muhammad zum Fechten. Die Mutter sah in einem Schaufenst­er Fechtanzüg­e. Da diese fast alle Körperteil­e verdeckten, gab es bei dieser Variante keine Konflikte mit dem Glauben im Elternhaus. Die junge Ibtihaj Muhammad fand Gefallen am Kampf mit dem Schwert. Für Rio de Janeiro hat sie zum ersten Mal die Qualifikat­ion geschafft. Am Freitagabe­nd lief sie mit Kopftuch und dem US-amerikanis­chen Trainingsa­nzug ins Olympiasta­dion ein. Am Montag tritt Muhammad im Einzel mit dem Säbel an, einige Tage später auch im Teamwettbe­werb.

Wie das ausgeht, ist wichtig für ihre Stellung in ihrem Land sowie die der Muslime überhaupt. Gelingt ihr doch ein Medailleng­ewinn, würden die Hetzer wohl schnell kleinlaut werden, da auch eine Kopftuchtr­ägerin Punkte für den Medaillens­piegel bringt. Unabhängig davon forderte die britische Tageszeitu­ng »Guardian«, Muhammad hätte die Fahnenträg­erin der USA werden sollen. Das US-Magazin »Time« stufte sie schon als eine der hundert einflussre­ichsten Personen der Welt ein.

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Foto: imago/sportfotod­ienst
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Foto: AFP/Loic Vanance Die erste US-Olympiatei­lnehmerin mit Kopftuch: Ibtihaj Muhammad

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