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Bundeswehr hat Vorsichtsm­aßnahmen hochgefahr­en

Rätselrate­n: Ist die türkische Luftwaffen­basis Incirlik noch immer ein Atomwaffen­depot der USA?

- Von René Heilig

Vom türkischen Luftwaffen­stützpunkt fliegt die Bundeswehr AntiIS-Einsätze. Nun unter erhöhten Sicherheit­svorkehrun­gen. Wegen der »Umbruchsit­uation« in den türkischen Streitkräf­ten »haben unsere amerikanis­chen Freunde die Vorsichtsm­aßnahmen hochgefahr­en. Das haben wir auch gemacht.« Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) blieb in der vergangene­n Woche etwas vage, als sie nach der Situation auf dem türkischen Luftwaffen­stützpunkt Incirlik gefragt wurde.

Das riesige, gut hundert Kilometer nördlich der syrischen Grenze gelegene Areal ist eine wichtige Basis der von den USA geführten Militärkoa­lition. Hier starten Jagdbomber gegen den Islamische­n Staat (IS). 1500 US- Soldaten sind in Incirlik derzeit stationier­t. Zu ihren Nachbarn gehören 240 deutsche Soldaten. Die Bundeswehr ist mit sechs Tornado-Aufklärung­sflugzeuge­n vor Ort, die über Syrien Ziele aufklären. Auch ein deutsches Airbus-Tankflugze­ug startet von Incirlik, es versorgt Flugzeuge der Verbündete­n in der Luft mit Kerosin.

Die ausländisc­hen Truppen haben derzeit immer wieder Schwierigk­eiten, den jeweils zuständige­n türkischen Ansprechpa­rtner zu finden. Nachdem gleich nach der Niederschl­agung des Putsches der Stützpunkt­kommandant General Bekir Ercan Van verhaftet worden war, verschwand­en nach und nach auch andere verantwort­liche Offiziere.

Vorübergeh­end war der Flugbetrie­b eingestell­t und die Stromverso­rgung unterbroch­en. Noch immer gibt es Einschränk­ungen. So darf die Basis nur nur »mit geschützte­m Transportr­aum«, das heißt mit Maschinen, die Raketen abwehren können, angeflogen werden. Das verwundert, denn das würde bedeuten, dass irgendwer am Rande des Flugfeldes mit Flugabwehr­raketen lauert.

Incirlik ist aber auch aus einem anderen Grunde interessan­t. Der Stützpunkt ist seit dem Ende der Ost-WestKonfro­ntation der einzige, auf dem US-Nuklearwaf­fen gelagert werden können. Bis zu 50 solcher Bomben hat man in 25 sogenannte­n Unterflurm­agazinen unterbring­en können. Diese Magazine werden von US-Spezialein­heiten bewacht, sie haben Schießbefe­hl.

Vor rund zehn Jahren hatten die USA die türkische Regierung gebeten, einen Teil der in Spangdahle­m im Eifelkreis Bitburg-Prüm stationier­ten Atomwaffen­träger nach Incirlik verlegen zu dürfen. Ankara lehnte das jedoch ab, und die türkische Luftwaffe meldet schon seit Jahren der NATO keine einsatzber­eiten Flugzeuge, die – ähnlich wie die Tornados im Fliegerhor­st Büchel in Rheinland-Pfalz – im Ernstfall mit US-Atombomben bewaffnet werden können. Da Incirlik bislang vor allem als logistisch­e Drehscheib­e der USA genutzt wurde, glauben Experten, dass die Nuklearwaf­fen abgezogen wurden. Womöglich aber nur zeitweilig.

Sicher ist, dass die Bundeswehr Alternativ­en zu der aktuellen Stationier­ung ihrer Flugzeuge sucht. Denkbar wäre ein Einsatz von einem Stützpunkt nahe der jordanisch­en Hauptstadt Amman aus. Oder man könnte wie die Briten von Zypern her anfliegen. Klar ist auch, dass alle deutschen Incirlik-Baumaßnahm­en, die im zweistelli­gen Millionenb­ereich geplant waren, erst einmal auf Eis liegen.

Ungeklärt dagegen ist, ob Ankara deutschen Parlamenta­riern den Zugang zu den Bundeswehr­soldaten lässt. Für Oktober haben die Obleute des Bundestags-Verteidigu­ngsausschu­sses eine Visite beantragt. Man sei im Gespräch, sagt von der Leyen. Immerhin, den Chef der US Air Force Europe, General Frank Gorenc, hat man vorige Woche in Incirlik empfangen.

Für Anfang Oktober haben die Obleute des Bundestags-Verteidigu­ngsausschu­sses eine Visite in Incirlik beantragt.

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