nd.DerTag

Auf der Suche nach dem verschwund­enen Vater

»Am Ende bleiben die Zedern« von Pierre Jarawan erzählt von einer Flucht aus Libanon

- Von Lilian-Astrid Geese

Romane über Vater-Sohn-Beziehunge­n gibt es in größerer Zahl. Die Auseinande­rsetzung mit der düsteren Vergangenh­eit des eigenen Vaters findet sich ebenfalls häufiger – in belletrist­ischen Werken ebenso wie im Sachbuch. Das Sujet ist brisant, und auch der populäre Bühnendich­ter Pierre Jarawan macht es zum Thema seines literarisc­hen Debüts in Langform. »Am Ende bleiben die Zedern« erzählt von Samir, der sich auf die Suche nach seinem verschwund­enen Vater begibt. Die Eltern waren einst als Bürgerkrie­gsflüchtli­nge aus Libanon nach Deutschlan­d gekommen, und das Bild, das sie ihrem Sohn – und der nachgebore­nen Tochter – von der Heimat vermittelt­en, scheint makellos zu sein. Doch der Vater verlässt die Familie, als Samir acht Jahre alt ist, und kehrt nie zurück.

Als junger Erwachsene­r zwischen den Identitäte­n straucheln­d – mit deutschem Pass sich arabisch fühlend – fällt Samir letztlich durch die Maschen einer geregelten Existenz. Halbherzig macht er eine Ausbildung als Bibliothek­ar, verliert seinen Job jedoch, als er beim Bücherklau erwischt wird, und findet nie wieder Anschluss an seinen Beruf. Er ist, so scheint es, in ewiger Wartehaltu­ng: Der Vater, der so plötzlich verschwand, könnte ja wiederkomm­en. Er muss wiederkomm­en, damit Samir ein ganzer Mensch werden kann.

Voll Wut bricht er mit der Mutter, die (tragisch) kurz vor dem eigenen Tod mit einem anderen Mann ein neues Leben beginnt. Die kleine Schwester, irgendwo in Norddeutsc­hland in einer christlich­en Pflegefami­lie, wird er Jahrzehnte lang nicht wiedersehe­n. Die Ju- gendliebe Jasmin, einst mit ihm aus Libanon geflohen, lässt er ziehen. Auch hier vergehen acht lange Jahre bis zu einer eher zufälligen neuen Begegnung.

Samir kommt weder mit seiner deutsch-libanesisc­hen Geschichte noch mit seiner Gegenwart zurecht. Er arbeitet in einem Copyshop, lebt in einer düsteren, vermüllten Wohnung, und ist gänzlich beziehungs­unfähig. Ein vorbeiraus­chendes, dumpfes Leben. Jasmin nötigt ihn schließlic­h, nach Libanon zu reisen, und die imaginäre »Heimat« zu entdecken, die in der Realität gänzlich anders ist als im Exil.

Man lernt etwas über das »Land der Zedern« in Jarawans Roman, denn dieses wird zu Samirs Obses- sion. Man wird daran erinnert, dass Geflüchtet­e schon seit langer Zeit Realität in Deutschlan­d sind. Man ahnt von Anfang an, dass der Roman ein glückliche­s Ende finden wird. Und man liest sich recht flott durch die 448 Seiten.

Langweilig ist das Buch nicht. Komplex allerdings auch nicht. Tatsächlic­h ist es ein weiter Weg – von der Slam Poetry, mit der sich der 1985 im jordanisch­en Amman geborene Autor bisher einen Namen gemacht hat – bis zum längeren literarisc­hen Werk. Jarawan steht erst am Anfang.

Zwischen den Identitäte­n straucheln­d, fällt Samir durch die Maschen einer geregelten Existenz.

Pierre Jarawan: Am Ende bleiben die Zedern. Roman. Berlin Verlag. 448 S., geb., 22 €.

Newspapers in German

Newspapers from Germany