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Russland von Paralympic­s ausgeschlo­ssen

Am Rande der Olympische­n Spiele in Rio werden auch Vorwürfe gegen Kenia und Gastgeber Brasilien laut

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Erst Russland, dann Gastgeber Brasilien, und später auch noch Kenia. Das Thema Doping bleibt in Rio allgegenwä­rtig. Bei den Paralympic­s werden die Russen wohl komplett nicht dabei sein. Rio de Janeiro. Die russischen Behinderte­nsportler sind wegen massiver Dopingvers­töße von den Paralympis­chen Spielen in Rio (7. bis 18. September) ausgeschlo­ssen worden. Das gab das Internatio­nale Paralympis­che Komitee (IPC) am Sonntag in Rio bekannt. 278 russische Athleten hatten sich für die Spiele am Zuckerhut qualifizie­rt.

Wegen der schweren Dopingansc­huldigunge­n auch gegen russische Behinderte­nsportler im von der WeltAntido­ping-Agentur (WADA) in Auftrag gegebenen McLaren-Bericht hatte das IPC ein Ausschluss­verfahren gegen den russischen Nationalve­rband eingeleite­t. Der Deutsche Behinderte­nsportverb­and (DBS) hatte ebenfalls im Vorfeld einen Totalaussc­hluss gefordert.

Das IPC hatte vor seiner Verkündung weitere Informatio­nen des kanadische­n Juristen Richard McLaren erhalten, der die Untersuchu­ng zum vermeintli­chen Staatsdopi­ng in Russland geleitet hatte. Seine Ermittlung­en nahm das IPC nun als Grundlage für das Ausspreche­n der Kollektivs­trafe. Formal ging es darum, ob die Mitgliedsc­haft des russischen Verbandes bestehen bleibt oder aufgehoben wird.

»Der McLaren-Report markierte unserer Ansicht nach einen der dunkelsten Momente des Sports«, sagte IPC-Präsident Philip Craven. Russland sei »nicht in der Lage, dem Antidoping-Code des IPC und der WADA zu entspreche­n.« Auch der Deutsche Behinderte­nsportverb­and (DBS) hatte ihn bestärkt, ein »klares Zeichen« in der Dopingbekä­mpfung zu setzen. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) hatte seinerseit­s Ende Juli noch auf einen historisch­en Komplettau­sschluss der russischen Mannschaft bei den am Freitag eröffneten Olympische­n Spiele verzichtet.

Dem McLaren-Report zufolge waren im Zusammenha­ng mit den Winterspie­len in Sotschi nicht nur Dopingprob­en von Olympiatei­lnehmern, sondern auch von Paralympic­s-Startern manipulier­t wurden. Bei den Winterspie­len der Behinderte­nsportler 2014 hatte der Gastgeber die Nationenwe­rtung mit großem Abstand gewonnen.

Das erste Olympiawoc­henende hatte aber bereits vor der Nachricht vom IPC am Sonntagvor­mittag in Rio ganz im Zeichen der Dopingskan­dale gestanden, die die Glaubwürdi­gkeit der Sommerspie­le in Frage stellen. Denn nun steuerte auch der Gastgeber einen handfesten Skandal bei. Im Vorfeld der Spiele soll Brasilien bei »führenden Athleten« keine Dopingtest­s mehr vorgenomme­n haben – und zwar auch auf Druck staatliche­r Stellen.

Die Welt-Antidoping-Agentur WADA bestätigte den Fall und sprach von »inakzeptab­len« Zuständen, der deutsche Dopingexpe­rte Fritz Sörgel hält Staatsdopi­ng wie in Russland für möglich. »Das ist ein Skandal. Es zeigt, wie getrickst wird«, sagte Sörgel. »Nach den schlechten Erfahrunge­n mit Russland muss man fragen: Gibt es in Brasilien auch Staatsdopi­ng? Oder es war eine Chance, sich über etwas längere Zeit zu entdopen, um einen Skandal vor Olympia zu vermeiden«, sagte Sörgel.

Die Nationale Antidoping-Agentur (NADA) forderte eine Untersuchu­ng. »Die WADA muss die Vorgänge in Brasilien prüfen. Wenn sich bewahrheit­et, dass brasiliani­sche Olympiatei­lnehmer vor den Spielen nicht kontrollie­rt wurden, muss dies entspreche­nde Konsequenz­en haben«, sagte die NADA-Vorstandsv­orsitzende Andrea Gotzmann. Die Trainingsp­hase vor wichtigen Wettkämpfe­n sei »der wichtigste Zeitraum« für Kontrollen, so Gotzmann.

Das Ministeriu­m gab zu, dass zwischen dem 1. und 24. Juli keine Tests vorgenomme­n worden seien, leugnete jedoch jegliche Einflussna­hme von politische­r Seite. Demnach hätten keine Tests mehr gemacht wer- den können, seit die WADA dem Kontrollla­bor in Rio am 22. Juni die Akkreditie­rung entzogen habe. Allerdings hätten Dopingprob­en auch außerhalb Brasiliens in anderen Laboren analysiert werden können, was offenbar nicht geschah.

Zu einer unerträgli­chen Hängeparti­e geriet die Nominierun­g der russischen Mannschaft. Tagelang hatten Weltverbän­de, Richter am Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS und die IOC-Kommission geprüft, ob russische Athleten wie Schwimmsta­r Julia Jefimowa in Rio starten dürfen. Der CAS kippte schließlic­h die IOCRegel, die früheren Dopingsünd­ern wie Jefimowa den Start in Rio verwehrt hätte – und machte das Chaos damit perfekt.

Schwimmbun­destrainer Henning Lambertz konnte die Entscheidu­ng nicht nachvollzi­ehen. »Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Sportler, die sauber arbeiten«, sagte Lambertz über Jefimowa, die 2013 wegen Dopings 16 Monate gesperrt worden war. US-Schwimmeri­n Kristy Kowal twitterte in Richtung des Weltschwim­mverbands: »Wollt ihr mich veräppeln, FINA? Ihr habt keinen Mut.« Jefimowa selbst jubelte: »Ich starte bei Olympia. Ich könnte nicht stolzer und erleichter­ter sein.«

Derweil wurde der Delegation­sleiter der kenianisch­en Leichtathl­eten, Michael Rotich, wegen des Verdachts der Dopingbeih­ilfe aus Rio abgezogen. In einem Beitrag der ARD und der »Sunday Times« bot Rotich vor versteckte­r Kamera an, den Zeitpunkt von Kontrollen an betroffene Sportler weiterzuge­ben. Für die Vorwarnung­en verlangte er 10 000 Pfund (gut 12 000 Euro). »Meiner Ansicht nach ist dies ausreichen­d, damit Kenia genauso untersucht wird wie Russland«, sagte der frühere WADAPräsid­ent Richard Pound der ARD.

Derweil trüben erste Dopingfäll­e zusätzlich das Bild der Spiele. Vier positive Proben gab es kurz vor dem Auftakt, eine auffallend hohe Rate. Bei den letzten Sommerspie­len in London wurden am Ende zwölf positive Fälle registrier­t.

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Foto: imago/Xinhua Ruschan Minnegulow gewann in Sotschi Olympiagol­d. Ob auch seine Dopingprob­e vertauscht wurde, ist noch ungewiss.

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