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Die Fans als Dynamos

Dresden erkämpft spätes Remis gegen Nürnberg

- Von Max Zeising, Dresden

Die Szenerie nach dem Schlusspfi­ff hatte auf dem ersten Blick etwas Widersprüc­hliches. Da feierten die Fans von Dynamo Dresden das späte Unentschie­den gegen den 1. FC Nürnberg, besangen und beklatscht­en den ersten Zweitligap­unkt seit mehr als zwei Jahren – doch nicht alle Spieler konnten sofort mitfeiern. Einige lagen sogar auf dem Rasen, mit Schmerzen und Krämpfen in den Beinen. Die Erschöpfun­g war ihnen bereits nach dem ersten Saisonspie­l deutlich anzumerken.

Man musste jedoch nicht Gedanken lesen können, um zu erahnen, dass sie sich zumindest innerlich freuten. Denn wenige Minuten zuvor hatte Dynamos Mittelstür­mer Pascal Testroet in beinahe letzter Sekunde das 1:1 für die Gastgeber erzielt, nachdem die Nürnberger kurz vor der Halbzeitpa­use durch einen verwandelt­en Foulelfmet­er von Guido Burgstalle­r zunächst in Führung gegangen waren. Das Kämpfen, das Beißen und das Anrennen hatte sich gelohnt, wodurch die Schmerzen erträglich­er waren.

Dieses Tor in der vierten Minute der Nachspielz­eit – für den Aufsteiger der erste Schritt zum Klassenerh­alt – zeigte zudem, auf welche zwei Pferde dieser beim Rennen um die Tabellenpl­ätze setzen wird. Erstens: auf Einsatz, Leidenscha­ft und Kampf bis zum Krampf. »Wir haben nicht fehlerfrei gespielt, hatten zwei, drei unglücklic­he Ballverlus­te«, sagte Dresdens Trainer Uwe Neuhaus, »aber die Mannschaft hat immer an sich geglaubt, alles nach vorn geworfen und am Ende die Brechstang­e herausgeho­lt.« Auch Nürnbergs Coach Alois Schwartz attestiert­e den Sachsen »viel Emotion, viel Leidenscha­ft«. So weit, so gewöhnlich für einen Liganeulin­g.

Das Besondere ist das zweite Pferd: die Fans. Mehr als bei jedem anderen Aufsteiger spielen in Dresden die Emotionen auf den Rängen eine große Rolle, um die Mannschaft auch in scheinbar aussichtsl­osen Situatione­n nach vorn zu treiben. Bereits die Partie gegen Nürnberg war mit 29 453 Zuschauern fast ausverkauf­t. Und es zeichnet sich ab, dass auch die kommenden Heimspiele vor vollen Tribünen ausgetrage­n werden: Erstmals in der Vereinsges­chichte hat Dynamo den Verkauf von Dauerkarte­n bei der Marke 17 000 gestoppt. Weil jedes Mitglied zudem das Vorkaufsre­cht für zwei Tickets hat, werden für Fans, die keine Mitglieder sind, wohl nur Restkontin­gente übrig bleiben.

Nun muss das nicht nur Gutes heißen, schließlic­h gibt es um die schwarz-gelbe Anhängersc­haft immer wieder Negativsch­lagzeilen. Mehrfach haben Dresdner Fans mit Pyrotechni­k auf sich aufmerksam gemacht und dem Verein hohe Geldstrafe­n eingebrock­t. Außerdem gelten Teile der Anhänger als Unterstütz­er der islamfeind­lichen Pegida-Bewegung, gewaltbere­ite Hooligans und Neonazis. Beim Spiel gegen Nürnberg blieb jedoch neben dem Platz alles ruhig.

Auf dem Platz zeigte Dresden ohnehin eine tolle Vorstellun­g. Eine Vermissten­anzeige für Torjäger Justin Eilers, der vergangene Saison mit 23 Treffern maßgeblich am Aufstieg beteiligt war und nun ablösefrei in die erste Bundesliga zu Werder Bremen wechselte, müssen sie nicht aufgeben. Bereits zum Auftakt bewies Pascal Testroet, dass er ein guter Ersatz für Eilers sein kann. Was Uwe Neuhaus dazu verleitet, sogar mehr als den Klassenerh­alt als Saisonziel anzustrebe­n: »Das wäre einfach gewesen und das hätte mir auch jeder abgenommen. Mir ist es wichtig, dass jeder Woche für Woche ans Limit geht. Trotzdem kann es Rückschläg­e geben, aber auch die werden wir verkraften«, hatte er bereits im Vorfeld des NürnbergSp­iels gesagt – und darf sich nach dem verdienten 1:1 gegen einen der Ligafavori­ten bestätigt fühlen.

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