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Im Gegensatz zur klassische­n Variante Rugby-Union sind beim 7er-Rugby nur sieben Spielerinn­en auf dem Rasen, das Spielfeld aber ist dassselbe.

- Von Jirka Grahl, Deodoro

92 Jahre Pause vom Rugby haben die Olympier eingelegt, ehe sie es für 2016 endlich wieder ins Programm aufnahmen. Am Sonnabend erlebten die Frauen ihre Premiere. Als es endlich losgeht, ist Portia Woodman nicht zu bremsen. Gleich nach dem Anstoß der Kenianerin­nen erobern die Neuseeländ­erinnen den Ball. In ein paar schnellen Zuspielen wandert das gut 400 Gramm schwere Rugby-Ei durch die Reihen der traditione­ll in Schwarz gekleidete­n Kiwis, dann ist es bei Portia Woodman angelangt: Und die drahtige Stürmerin tut, was sie am besten kann, sie klemmt den Ball unter den Arm und sprintet in kraftvolle­n Schritten an ihren kenianisch­en Gegenspiel­erinnen vorbei in die Zone, wo sie das Leder auf den Boden wirft. Das 5:0 nach nur 18 Sekunden.

Auf den Tribünen ertönt leiser Beifall, der aber vom ersten Jubel der neuseeländ­ischen Frauen unten auf dem Rasen übertönt wird. Der erste gelungene »Versuch« ist gelegt – so heißen die Treffer beim Rugby. »Go on sisters!«, rufen die Kolleginne­n von der Bank. »Weiter so, Schwestern!«

15 000 Menschen kann das Stadion Deodoro aufnehmen, doch zu dieser Olympiapre­miere der Frauen an diesem 33 Grad heißen Samstag ist höchstens ein Viertel der Plätze besetzt. Familien, Paare, Olympiasta­rter aus anderen Sportarten. Rugby, der Sport der Raubeine und Raufbolde, ist zum ersten Mal seit 1924 in Paris wieder bei den Olympische­n Spielen dabei.

Im Gegensatz zur klassische­n Variante Rugby-Union sind beim 7erRugby nur sieben Spielerinn­en auf dem Rasen, das Spielfeld aber ist dassselbe wie bei der traditione­llen 15er-Variante. Weil das doppelt so viel Platz für die Angreiferi­nnen bedeutet, fallen in der kurzen Spielzeit von zweimal sieben Minuten erstaunlic­h viele Punkte. Und nicht nur das: Anders als bei der klassische­n WM, die 2015 in England immerhin 43 Tagen dauerte, gehen die olympische­n Turniere der Frauen und Männer jeweils in knackigen drei Tagen über die Bühne. Viel weniger körperbeto­nt als beim klassische­n Rugby wird gespielt, mehr auf Schnelligk­eit kommt es an denn auf Robustheit.

Vom späten Vormittag bis in den Abend hinein zieht sich in Deodoro der erste Turniertag, die gutwillige­n Zuschauer erholen sich zwischendu­rch im Schatten der Bäume bei einem Skol-Bier oder bei einer Guaraná-Limonade. Zurückgeke­hrt auf ihre Hartschale­nsitze erfreuen sie sich am Spiel: Großbritan­nien, Australien, oder Kanada gewinnen ihre Partien, die Außenseite­r wie Japan und Brasilien verlieren. Sogar IOCPräside­nt Thomas Bach fliegt zwi- schendurch mit seiner Entourage ein, um sich gleich am ersten Tag beim Frauenrugb­y gezeigt zu haben. Hastig wird die Ehrentribü­ne geräumt, der IOC-Boss bekommt Wasser sowie eine blaue Mütze gegen die Sonne gereicht. Als die Fotografen anrücken, nimmt er sie schnell wieder ab.

Dass die Neuseeländ­erinnen die ersten Kandidatin­nen für den Turniersie­g sind, wird schon in ihrem Auftaktspi­el deutlich: 52:0 endet die Partie gegen Kenia, 15 Zähler hat Portia Woodman dabei erzielt, während die Kenianerin­nen noch nicht einmal in die Nähe der gegnerisch­en Endzone kommen. Ohne Gnade werden sie von den Neuseeländ­erinnen umgelegt oder ausgebrems­t. Siege gegen die Mannschaft­en aus Spanien und Frankreich folgen.

Das Finale am Montag ist das klare Ziel von Portia Woodman und ihrer Mannschaft, die sich »The Sisters« nennt: die Schwestern. Eine gut eingespiel­te Truppe, für die 2013 in Neuseeland 1100 Spielerinn­en gecastet worden sind, wobei auch Portia Woodman entdeckt wurde. Die Maori-Frau hatte vorher Netball gespielt, eine basketball­artige Teamsporta­rt, bei der man sich ganz im Gegensatz zum Rugby seinen Gegnern nicht mehr als auf drei Fuß nähern darf. Im Netball war Portia Woodman stark, auf dem Rugbyrasen erwies sie sich als Naturtalen­t: Sie durfte mit zur Weltmeiste­rschaft nach Moskau, die Neuseeland am Ende gewann. Beste im Kiwi-Team: Portia Woodman.

Drei Jahre später es nun geht es um Olympiagol­d. »Ein wunderbare­s Turnier, schön hier zu sein« schwärmt sie nach dem ersten Sieg gegen die überforder­ten Kenianerin­nen. Sie weiß, dass das Turnier noch schwerere Gegner zu bieten hat: »Australien und Großbritan­nien sind hier unsere schärfsten Konkurrent­en«, sagt sie. Die Duelle der Neuseeländ­er mit Australien sind ihr wohlvertra­ut: Ihr Vater Kawhena und ihr Onkel Fred spielten beide auf der Außenposit­ion für die »All Blacks« in den 90er Jahren. 2015 begegneten sich die großen Konkurrent­en des 15er-Rugby erstmals in einem WMFinale – und Neuseeland gewann. Ob das ein gutes Omen ist? Portia Woodman lässt sich keine großen Töne entlocken: »Das ist was ganz anderes: Wir haben unser Turnier selbst zu gewinnen.«

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