Unionspolitiker für Steuersenkungen
SPD gegen geplante Entlastungen für Spitzenverdiener und Millionäre
Berlin. Die Steuerpläne der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU/CSU stoßen auf Kritik. Die MIT will ein Konzept im Wahlprogramm der Union durchsetzen, das bis 2020 Entlastungen von mindestens 30 Milliarden Euro vorsieht. Der derzeitige Koalitionspartner der Union lehnte das Vorhaben ab. Die Vizesprecherin für Finanzpolitik der SPD-Bundestagsfraktion, Cansel Kiziltepe, nannte das Konzept gegenüber »nd« »eine populistische Luftnummer ohne Gegenfinanzierung«. Kiziltepe kritisierte, dass »durch die Absenkung des Grenzsteuertarifs im Bereich kleiner und mittlerer Einkommen zugleich die Belastungen für Großverdiener und Millionäre sinken« würden. Auch SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider äußerte sich kritisch. Oppositionspolitiker von LINKEN und Grünen bezweifelten zudem, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Pläne mittragen wird.
Mittelstandspolitiker von CDU und CSU wollen mit der Forderung nach einer Steuerreform im kommenden Jahr Wahlkampf machen. Nach ihrem Willen sollen vor allem Besserverdienende entlastet werden.
In der Union überbieten sich derzeit diverse Politiker mit ihren Vorschlägen für eine Steuerreform. Vor wenigen Wochen hatte der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) versprochen, dass kleinere und mittlere Einkommen vom Jahr 2019 an um mehr als zehn Milliarden Euro jährlich entlastet werden könnten. Der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU/CSU geht dies aber nicht weit genug. Sie hat nun ein Konzept vorgelegt, das bis zum Jahr 2020 sogar vorsieht, dass einige Bürger insgesamt etwa 30 Milliarden Euro weniger Steuern zahlen müssen. Die MIT ist in der Union sehr einflussreich. Ihr Vorsitzender Carsten Linnemann sitzt auch im Vorstand des Parlamentskreises Mittelstand (PKM), dem 188 von insgesamt 311 konservativen Bundestagsabgeordneten angehören.
Linnemann und seine Mitstreiter planen in der Steuerpolitik drei Schritte. Im Jahr 2018 soll die Werbungskostenpauschale von 1000 auf 2000 Euro erhöht werden. Für das darauf folgende Jahr fordern die Unionspolitiker, den Steuersatz bei zu versteuernden Jahreseinkommen ab 13 669 Euro von 24 auf 20 Prozent zu senken. Außerdem soll dann der Spitzensteuersatz von 42 Prozent nicht wie derzeit bei 53 666 Euro greifen, sondern bei 60 000 Euro. In der dritten Stufe wollen die Konservativen den Kinderfreibetrag im Jahr 2020 auf die Höhe des Grundfreibetrags für Erwachsene anheben. Der Wirtschaftsflügel der Union meint, dass diese Pläne wegen der hohen Steuereinnahmen realisiert werden können. Das Ziel eines Haushalts ohne neue Schulden sei dadurch nicht gefährdet. Die aktuelle Steuerschätzung geht für das Jahr 2020 von rund 135 Milliarden Euro Mehreinnahmen gegenüber dem Jahr 2015 aus.
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält Steuersenkungen in der nächsten Legislaturperiode für möglich. Allerdings bewegen sich seine Überlegungen etwa auf dem Niveau, das auch seinem bayerischen Amtskollegen Söder vorschwebt, nämlich rund zehn Milliarden Euro. Söder hatte sich ebenso wie die MIT für eine Abflachung des Steuertarifs ausgesprochen. Zudem forderte der CSU-Mann eine neue Eigenheimförderung für Familien mit Kindern und den schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags. Nun wird die Union intern darüber diskutieren, welche Elemente der jeweiligen Konzepte im Wahlprogramm der Union für 2017 übernommen werden.
Alleine werden CDU und CSU ihre Steuerpolitik nicht durchsetzen können. Die Konservativen werden 2017 aller Voraussicht nach erneut auf eine Koalition angewiesen sein. Beim aktuellen Bündnispartner SPD stieß das Konzept des Wirtschaftsflügels der Union aber auf wenig Begeisterung. Cansel Kiziltepe, Vizesprecherin der SPD-Fraktion für Finanzpolitik, bezeichnete es als »eine populistische Luftnummer ohne Gegenfinanzierung«. »Durch die Absenkung des Grenzsteuertarifs im Bereich kleiner und mittlerer Einkommen sinken zugleich die Belastungen für Großverdiener und Millionäre«, erklärte Kiziltepe gegenüber »nd«. Wer Gering- und Normalverdiener entlasten wolle, der müsse Einkommen über 80 000 Euro deutlich stärker belasten und Kapitaleinkommen genauso besteuern wie Arbeitseinkommen. Zudem forderte die SPD-Politikerin, große Erbschaften und Vermögen in die Pflicht zu nehmen. Nur dann seien die nötigen Mittel für Entlastungen, die nicht zulasten von Zukunftsinvestitionen gingen, vorhanden. Kiziltepe fragte, was den Arbeitnehmern Steuersenkungen nutzen würden, »wenn zugleich Rente, Pflege und Bildung kollabieren«.
Kritisch äußerten sich auch die Oppositionsparteien. Die LINKE-Abgeordnete Gesine Lötzsch konstatierte gegenüber »nd«, dass der Befund der CDU-Mittelständler richtig sei, dass die Mittelschicht immer mehr zerrieben wurde. Allerdings führte die Chefin des Haushaltsausschusses dies auf die bisherige Politik der von der Union geführten Regierungen zurück. »Finanzminister Schäuble wird die Mittelstandsvereinigung am ausgestreckten Arm verhungern lassen, denn er ist kein Vertreter des Mittelstandes, sondern ein Verfechter der Interessen des großen Geldes«, prognostizierte Lötzsch. Sie forderte die Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen durch eine deutliche Erhöhung der Freibeträge sowie Investitionen in die soziale Infrastruktur. Wer die Mittelschicht wirklich entlasten wolle, müsse die Bezieher großer Einkommen durch eine Millionärssteuer zur Kasse bitten, forderte die LINKE-Politikerin.
Auch Lisa Paus, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Steuerpolitik, ging nicht davon aus, dass Schäuble die Pläne mittragen wird. »Sie widersprechen seinem Vorhaben, erneut die Schwarze Null zu erreichen«, sagte Paus dem »nd«. Zudem kritisierte sie, dass der Vorschlag darauf abziele, »die oberen Einkommen stärker zu entlasten als den unteren Bereich. Die Schere zwischen Arm und Reich wird durch den Vorstoß aus der Union nicht geschlossen.«
Alleine wird die Union ihre Steuerpolitik nicht durchsetzen können. Sie ist auf Koalitionspartner angewiesen.