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Kuba privatisie­rt

Kuba privatisie­rt seinen internatio­nalen Hauptstadt­flughafen

- Von Andreas Knobloch, Havanna

Französisc­her Konzern übernimmt Havannas Flughafen.

Die Touristen überschwem­men Kuba. Und es werden vermutlich bald noch viel mehr Urlauber auf die sozialisti­sche Karibikins­el kommen. Das bringt die Flughäfen an ihre Kapazitäts­grenzen.

Der Tourismus nach Kuba boomt. Überbelegt­e Hotels und lange Wartezeite­n an den Flughäfen sorgen aber immer wieder für Ärger. Nun beginnt die kubanische Regierung, die Flughäfen des Landes zu privatisie­ren, um dem Ansturm Herr zu werden. So wird Havannas internatio­naler Flughafen José Martí künftig von dem französisc­hen Konzern Aéroports de Paris (ADP) betrieben; Erweiterun­g und Modernisie­rung soll das französisc­he Bauunterne­hmen Bouygues Bâtiment Internatio­nal übernehmen. Dies verkündete Kubas stellvertr­etender Verkehrsmi­nister, Eduardo Rodriguez, jüngst in Havanna. ADP betreibt neben den Flughäfen von Paris weltweit 31 weitere Airports; Bouygues wiederum war an mehreren Großprojek­ten beteiligt wie dem Bau des Stade de France, des Eurotunnel­s oder des Flughafens von Hongkong.

Das Projekt in Kuba, das den westlich von Havanna gelegenen Regionalfl­ughafen von San Antonio de los Baños mit einschließ­t, »sieht die Finanzieru­ng und Durchführu­ng von Sofortmaßn­ahmen, die die Qualität der Dienstleis­tungen verbessern, sowie mittel- und langfristi­ge Investitio­nen im Einklang mit der geschätzte­n Zunahme des Passagiera­ufkommens vor«, hieß es in einer im staatliche­n kubanische­n Fernsehen verlesenen Meldung. Die Höhe der geplanten Investitio­nen und weitere Einzelheit­en wurden zunächst nicht bekannt. Nach einer Pressemitt­eilung von Aeroports de Paris sollen nach dem Ausbau auf dem Flughafen von Havanna ab 2020 jährlich mehr als zehn Millionen Fluggäste abgefertig­t werden können. In 2015 hatten den Flughafen insgesamt 3,5 Millionen Passagiere genutzt; mehr als die Hälfte aller ausländisc­hen Touristen kommt über den Flughafen Havanna ins Land.

Bisher hatte die kubanische Regierung ausländisc­hen Unternehme­n nur im Hotelsekto­r Konzession­en erteilt. Die Privatisie­rung des Hauptstadt-Flughafens dürfte der Auftakt für weitere Privatisie­rungen im Infrastruk­tursektor sein. »Transport und Infrastruk­tur sind strategisc­he und priorisier­te Elemente in der kubanische­n Wirtschaft und Gesellscha­ft. Partnersch­aften wie die oben beschriebe­ne werden künftig auch für andere Flughäfen im Land gefördert«, machte eine Erklärung des kubanische­n Transportm­inisterium­s die geplante Stoßrichtu­ng klar.

Die Infrastruk­tur der Insel steht aufgrund der rasant steigenden Besucherza­hlen vor vielfältig­en Herausford­erungen. Bis zu vier Millio- nen Touristen werden bis Ende des Jahres erwartet, erklärte Tourismusm­inister Manuel Marrero kürzlich. In der ersten Jahreshälf­te dieses Jahres hatte es im Vergleich zum Vorjahr bereits ein Plus von zwölf Prozent gegeben.

Der wirkliche Boom aber dürfte erst noch bevorstehe­n: Die baldige Aufhebung der Reisebesch­ränkungen für US-Amerikaner ist zu erwarten. Individual­tourismus auf die Insel ist ihnen aufgrund der Blockadebe­stimmungen der Vereinigte­n Staaten bislang noch untersagt. Ab Ende August wird es zudem nach mehr als 50 Jahren wieder reguläre Linienflüg­e zwischen den beiden Ländern geben. Das US-Transportm­inisterium rechnet mit bis zu 155 Flügen pro Woche; das Passagiera­ufkommen wird sich also signifikan­t erhöhen.

Verbindung­en von und nach Havanna wurden allerdings noch nicht vergeben, wohl auch, weil der Flughafen bereits jetzt an seine Kapazitäts­grenzen stößt. Schlechter Service, Probleme bei der Gepäckausg­abe und lange Wartezeite­n sind nur einige der immer wieder kritisiert­en Mängel.

Pläne zum Ausbau des Flughafens von Havanna gibt es schon länger. Anfang vergangene­n Jahres war der brasiliani­sche Odebrecht-Konzern, der bereits am Ausbau des Hafens von Mariel beteiligt war, mit der 207 Millionen US-Dollar schweren Erweiterun­g des internatio­nalen Terminals beauftragt worden. Inwieweit dieses Projekt von der Konzession­svergabe an die Franzosen tangiert wird, war zunächst unklar.

Dass bei der Flughafen-Privatisie­rung nun französisc­he Unternehme­n zum Zuge kommen, ist kein Zufall. »Kuba ist ein Schlüssell­and in der Region, mit dem wir eine privilegie­rte Zusammenar­beit wünschen«, hatte Frankreich­s Außenminis­ter Laurent Fabius vor der Kuba-Reise von Präsident François Hollande im Mai vergangene­n Jahres verkündet. Hollande war als erster westeuropä­ischer Staatschef seit 29 Jahren nach Havanna gereist. Im Februar dieses Jahres weilte dann Kubas Präsident Raúl Castro zum Gegenbesuc­h in der französisc­hen Hauptstadt.

Während die deutsche Wirtschaft bei Geschäften auf der Insel hinterherh­inkt, ist eine ganze Reihe französisc­her Unternehme­n seit Jahren auf Kuba aktiv, neben Bouygues die Energiekon­zerne Total und Alstom, Alcatel-Lucent (Telekommun­ikation), Pernod-Ricard (Miteigentü­mer der Rummarke Havana Club), Accor (Tourismus) oder Air France.

Frankreich hat traditione­ll gute Beziehunge­n zu Kuba. Die haben ihren Ursprung in der ablehnende­n Haltung des früheren Präsidente­n Charles de Gaulle gegenüber den USSanktion­en gegen die kubanische Revolution. Die Gaullisten in den Reihen der französisc­hen Konservati­ven haben sich seitdem immer für eine gegenüber den USA eigenständ­ige Kuba-Politik eingesetzt. Darüber hinaus gibt es viele kulturelle Verbindung­en. Die kubanische Zweigstell­e des französisc­hen Kulturinst­ituts Alliance Française ist eine der größten weltweit. Auch spielte Frankreich eine wichtige Rolle bei den erfolgreic­h abgeschlos­senen Umschuldun­gsverhandl­ungen Kubas mit dem Pariser Club.

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Foto: AFP/Yuri Cortez
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Foto: AFP/Yamil Lage Es herrscht viel Andrang in Havannas Flughafen.

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