Entpolitisierer
Streiten sich zwei, brauchen sie einen Dritten – einen vertrauenswürdigen Bekannten etwa oder einen Richter. Im Fall der gespaltenen AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag ist dieser Dritte ein Berufsversöhner: Gernot Barth vom »Institut für Kommunikation und Mediation« in Leipzig soll in Gesprächen, die am heutigen Dienstag beginnen, die zerstrittenen Gruppen wiedervereinigen.
Barth, 1957 in Frankfurt an der Oder geboren, ist ein echter Profi. Der gelernte Facharbeiter promovierte 1987 über Bildungstheorie. Seit der Wende war und ist er an Hochschulen beschäftigt, 2003 folgte eine pädagogische Habilitation. Zugleich bildete er sich zum Mediator weiter und gründete 2004 sein Institut.
Zur AfD, sagt Barth, hat er keinen Bezug. Dass er den Job annahm, hat wohl mehrere Gründe: erstens die mutmaßlich gute Bezahlung für die für die Auftraggeber sehr wichtige Aufgabe. Zweitens die Werbung, die im Erfolgsfall mit dem heiklen Fall verbunden wäre. Und drittens vielleicht der Vorstoß in ein neues Geschäftsfeld: die Klärung politischer Differenzen mit dem Handwerkszeug der Mediation.
Normalerweise schlichtet Barth in Familien und in der Wirtschaft. Doch wie er den »Stuttgarter Nachrichten« sagte, sieht er keinen prinzipiellen Unterschied zwischen solchen Konflikten und dem in der AfD. Es gelte, alle auf das Gemeinsame zu fokussieren, »Gesichtswahrung« sei ein entscheidender Hebel. In diesem Sinn will er nun Einzelgespräche führen, bevor es zum Showdown in großer Runde kommen soll.
Vermutlich liegt Barth richtig damit, dass es in dieser wie in vielen politischen Auseinandersetzungen letztlich um Persönliches geht. Unzweifelhaft steigen seine Erfolgsaussichten, je mehr er den ursprünglichen Gegenstand des Streits – den Umgang mit Antisemitismus – in den Hintergrund rücken kann. In diesem Sinn wäre sein Erfolg indes doppelt bedenklich. Nicht nur, weil er die AfD stärken würde. Sondern auch, weil sich dann ausgerechnet die Entpolitisierung als Schlüssel zur Lösung politischer Probleme in der Demokratie erwiese.