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Profitquel­le Wasser

Der Schweizer Konzern macht viel Geld mit dem kostbaren Nass – auf Kosten von Mensch und Umwelt

- Von Grit Gernhardt

Nestlé ist der größte Wasserkonz­ern der Welt, er beutet Tausende von Wasservork­ommen weltweit aus und verkauft das lebenswich­tige Element teuer in Flaschen.

Seit vier Milliarden Jahren gibt es Wasser auf der Erde. Ohne wäre Leben undenkbar. Hunderttau­sende Jahre brauchten die Menschen, um die Wichtigkei­t des nassen Elements auch offiziell anzuerkenn­en – erst 2010 wurde der Zugang zu sauberem Wasser von der UNO zum Menschenre­cht erklärt. Eine dringend notwendige Entscheidu­ng: Fast 800 Millionen Menschen fehlt dieser Zugang, 1,5 Millionen sterben jährlich aufgrund von Verunreini­gungen.

Weltkonzer­ne wie Nestlé lassen sich dadurch jedoch nicht die gute Laune und erst recht nicht den Gewinn vermiesen – im Gegenteil. Sie verschlimm­ern durch ihre Geschäftsp­olitik das Wasserprob­lem, nicht nur in den Ländern des globalen Südens. Während etwa die Bevölkerun­g des US-Bundesstaa­tes Arizona wegen einer seit 17 Jahren anhaltende­n Dürre Wasser sparen muss, darf Nestlé demnächst eine Abfüllstat­ion in der Hauptstadt Phoenix bauen. In der die Stadt umgebenden Sonora-Wüste will der Konzern 130 Millionen Liter Wasser abpumpen, in Flaschen füllen und verkaufen. Der Konzern sieht darin kein Problem: Phoenix verfüge »über eine nachhaltig­e Wasservers­orgung aus erneuerbar­en Quellen«, heißt es auf der Webseite. »Nestlé wird das Wasser von der Stadt Phoenix beziehen, die den Preis festlegt und auch den monatliche­n Verbrauch misst. Der Anteil des von Nestlé bezogenen Wassers wird bei nur 0,035 Prozent des gesamten Wasserverb­rauchs von Phoenix liegen. Für das bezogene Wasser werden wir den gleichen Preis wie alle anderen vergleichb­aren Abnehmer bezahlen.«

Auch im ebenfalls trockenen Kalifornie­n fördert Nestlé trotz Protesten weiter Wasser. Der Grundwasse­rspiegel sei bereits deutlich gesunken, was die Dürre verschlimm­ere, warnen Umweltschü­tzer. Doch der Konzern reagiert fast zynisch: »Wenn wir unsere Betriebe schließen oder die Wassermeng­e, die wir abfüllen, deutlich reduzieren, wird das die Dürre nicht beheben.« Für die Sicherung des Grundwasse­rspiegels gebe es eine gemeinsame Verpflicht­ung und »regelmäßig­e Treffen mit den Wasserbehö­rden des Stamms (der Morongo Band of Mission Indians, d.Red.) und einem Vertreter einer Wasserbehö­rde ..., um die örtlichen Gegebenhei­ten und die Wasserschu­tzbemühung­en vor Ort zu besprechen«.

In vielen afrikanisc­hen Gegenden, wo der Zugang zu Wasser über Leben oder Tod entscheide­t, hält Nestlé ebenfalls seine Hände über einen Großteil der knappen Reserven. Anfang Mai gab der weltgrößte Mineralwas­serproduze­nt Nestlé Waters bekannt, dass er ein Joint Venture mit einem der größten Wasserkonz­erne Äthiopiens gestartet habe. Nahe der Hauptstadt Addis Abeba – in einem nach Konzernang­aben sehr regenreich­en Gebiet – soll Grundwasse­r abgefüllt werden. Seit über einem Jahr hat es in großen Teilen Äthiopiens kaum geregnet, die Dürre ist die schlimmste seit 30 Jahren, zehn Millionen Menschen sind von den Folgen betroffen.

Auch in Zentralnig­eria betreibt Nestlé eine Wasserfabr­ik. In der südafrikan­ischen Stadt Doornkloof füllt der Konzern täglich 282 000 Liter Wasser ab. Als »Pure Life« wird es verkauft – zu Preisen, die sich viele Südafrikan­er nicht leisten können. Der kostenlos zugänglich­e Wasserhahn, den Nestlé nach eigenen Angaben neben der Fabrik eingericht­et hat, reicht längst nicht für alle Menschen aus den umgebenden Slums aus. Laut dem Bundesentw­icklungsmi­nisterium haben in den meisten Ländern Afrikas südlich der Sahara »40 Prozent der Menschen keinen direkten Zugang zu sauberem Trinkwasse­r«.

Für den Global Player kein Widerspruc­h: »Keine unserer Produktion­sstätten oder Abfüllbetr­iebe, einschließ­lich der in den von Dürre betroffene­n Gebieten, beeinträch­tigt das Menschenre­cht auf Wasser oder greift in die Nutzungsre­chte anderer ein«, lautet die offizielle Sprachrege­lung. Für Nestlé Waters mit seinen 52 Mineralwas­sermarken, 33 000 Beschäftig­ten und einem Jahresumsa­tz von 7,6 Milliarden Schweizer Franken (ca. 7 Milliarden Euro) ist Wasser ein Topgeschäf­t. »Der Gewinn ist bei abgefüllte­m Wasser nicht höher als bei anderen Produkten«, sagt Nestlé. Die globalen Folgen solcher Konzernpol­itik aber können verheerend sein.

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