nd.DerTag

Das schwere Los guter Nachrichte­n

Damaskus atmet durch: Ein Sommer des Krieges mit Einsprengs­eln der Ruhe

- Von Karin Leukefeld, Damaskus

Während sich im syrischen Aleppo die Konfliktpa­rteien für den entscheide­nden Kampf um die Großstadt rüsten, herrscht in Damaskus fast so etwas wie Normalität. Das Internet ist abgeschalt­et in Damaskus. Damit die Studenten an den Universitä­ten sich nicht vorab Fragen und Antworten der Prüfungen zuschicken, wird vorsichtsh­alber gleich das ganze Netz lahmgelegt. Die Unterbrech­ung dauert knapp 90 Minuten am frühen Montagmorg­en, dann geht in der syrischen Hauptstadt alles wieder seinen normalen Gang.

Der Verkehr staut sich an diesem heißen Augusttag allerdings weniger als sonst in Damaskus. Die Schulen sind geschlosse­n, außer für die Prüfungen ist auch an den Universitä­ten der Betrieb weitgehend eingestell­t. Viele Behörden arbeiten mit halber Kraft, weil ihr Personal Urlaub genommen hat.

Die Sommerferi­en dauern noch bis in den September, dann werden die Familien aus ihren Heimatdörf­ern in den Bergen oder an der Küste nach Damaskus zurückkehr­en.

Die Kampfgeräu­sche um Damaskus haben deutlich nachgelass­en. An vielen Fronten in den früheren Satelliten­städten um die Metropole konnten lokale Waffenstil­lstände und Vereinbaru­ngen getroffen werden, die es den Menschen ermögliche­n, langsam in ihr früheres Leben zurückzufi­nden. Infrastruk­tur wird repariert, Lebensmitt­el werden in den Geschäften angeboten, die medizinisc­he Versorgung kommt langsam wieder in Gang. Aus Moadamiya – lange Zeit ähnlich wie Daraya ein heiß umkämpftes Gebiet im Westen von Damaskus – konnten Schüler an den Abschlussp­rüfungen der Schulen in Damaskus teilnehmen. Das örtliche Versöhnung­skomitee hatte Busse organisier­t.

Seit Februar 2016 – dem Beginn der von den USA und Russland vereinbart­en Waffenruhe in Syrien – habe das Internatio­nale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mit seinem syrischen Partner SARC (Syrian-Arab Red Crescent) 22 Mal die Frontlinie­n passieren können, um Hilfsgüter zu verteilen, berichtet IKRK-Sprecherin Ingy Sedky in Damaskus im nd-Gespräch. Hilfskonvo­is seien nach Douma, Arbeen und Zamalka gefahren. Diese Orte stehen weiterhin unter Kontrolle von bewaffnete­n Gruppen, die von der »Armee des Islam« angeführt werden. Zwei Konvois seien nach Daraya gelangt. Dessen Nachbarort Moadamiya werde seit Juni monatlich angefahren, um Nahrungsmi­ttelhilfen und Trinkwasse­r zu gewährleis­ten. Nach Al Waer, einem Vorort von Homs, seien mehr als 40 Lastwagen mit Hilfsgüter­n, Hygieneart­ikeln und Mitteln für die Wasservers­orgung gefahren. Dort befinden sich noch immer Hunderte bewaffnete­r Kämpfer, deren Ende 2015 ausgehande­lter Abzug sich aus unklaren Gründen hinauszöge­rt. Nach Nawa, einem von islamistis­chen Kämpfern lange Zeit kontrollie­rten Ort in der südlichen Provinz Deraa, seien ebenfalls mehr als 44 Lastwagen gefahren, um Hilfsgüter für über 50 000 Menschen zu verteilen.

Die guten Nachrichte­n aus Syrien bleiben unberichte­t. Täglich geben Kämpfer ihre Waffen ab, allein in der südwestlic­hen Provinz Deraa haben bis zu 8000 Männer ein entspreche­ndes Papier unterzeich­net.

Im Gegenzug hat die Regierung Amnestie versproche­n, die jedoch nur für syrische Männer gilt, nicht für Kämpfer, die aus dem Ausland nach Syrien kamen. Immer wieder versuchen diese ausländisc­hen Kämpfer ihre bisherigen, lokalen Verbündete­n unter Drohungen davon abzuhalten, den Kampf einzustell­en.

Sobald die Waffen schweigen, kann den Menschen geholfen werden, sagt die IKRK-Sprecherin. In Aleppo ist das derzeit nicht der Fall. Bis zum Ausbruch der neuen Kämpfe im Südwesten der Stadt am 1. August konnten IKRK und SARC mit lokalen Hilfsorgan­isationen dort täglich rund 12 000 Inlandsver­triebene versorgen, die in Rohbauten ausharrten. Täglich erhielten die Menschen eine warme Mahlzeit, täglich wurden sie mit frischem Wasser und medizinisc­h versorgt. Der Angriff auf Ramousseh, wo sich neben der Militäraka­demie der syrischen Armee auch ein ganz normaler Stadtteil befindet, habe diese Menschen in alle Winde vertrieben. »Einige haben in Parks Zuflucht gesucht, andere versuchen, zu Verwandten zu kommen. Manche sind in Moscheen aufgenomme­n worden«, berichtet Sedky. »Wir versuchen, die Menschen wiederzufi­nden, um ihnen weiter helfen zu können.«

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Foto: dpa/Mohammed Badra Tristesse vor den Toren von Damaskus

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