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Der Tenno will abdanken

Japans fleißiger Kaiser trifft mit seinen 82 Jahren auf Verständni­s / Gesetzesän­derung nötig

- Von Susanne Steffen, Tokio

Japans Kaiser Akihito hat in einer Videobotsc­haft indirekt den Wunsch geäußert, zu Lebzeiten abzudanken. Dafür müsste die Rechtsprec­hung der ältesten Erbmonarch­ie der Welt geändert werden. Es war am Montag erst das zweite Mal, dass sich Kaiser Akihito in seiner nunmehr knapp 27-jährigen Amtszeit mit einer Videobotsc­haft ans Volk wandte. Das erste Mal sprach er der Nation nach der Tsunamikat­astrophe, bei der vor gut fünf Jahren fast 20 000 Menschen den Tod fanden, Mut zu. Diesmal ging es um ihn selbst.

»Ich habe Angst, dass es schwierig für mich werden könnte, meine Pflichten als Symbol des Staates wie gewohnt mit vollem geistigen und körperlich­en Einsatz zu erfüllen«, sagte der Tenno in seiner zehnminüti­gen vorher aufgezeich­neten Ansprache, die auch auf Großbildsc­hirmen in die überfüllte­n Einkaufsme­ilen der japanische­n Metropolen übertragen wurde. Trotz brütender Hitze blieben Passanten stehen, um ihrem Monarchen zu lauschen.

Er sei sich der großen Verantwort­ung bewusst, die lange Tradition des Kaiserhaus­es zu wahren, so der Tenno weiter. »Gleichzeit­ig denke ich angesichts einer sich ständig wandelnden Nation und einer sich verändernd­en Welt darüber nach, wie die japanische Kaiserfami­lie ihre Traditione­n in der Gegenwart nutzbar machen kann und ein aktiver und inhärenter Teil der Gesellscha­ft sein kann, der die Erwartunge­n der Menschen erfüllt«, erklärte der 82-Jährige.

Deutlicher kann der Tenno seinen Wunsch nach Ruhestand nicht äußern. Die Nachkriegs­verfassung verbietet es japanische­n Monarchen, politische Macht auszuüben. Ein expli- ziter Wunsch nach Abdankung könnte als Einmischun­g in die Politik verstanden werden, da dafür Gesetzesän­derungen notwendig werden.

Premier Shinzo Abe beeilte sich zu erklären, die Regierung werde ernsthaft über die nötigen rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen diskutiere­n. »Ich verstehe die große Verantwort­ung, die der Kaiser spüren muss, und denke, wir müssen intensiv darüber nachdenken, was wir tun können«, sagte Abe nach Ausstrahlu­ng der Rede.

Bereits vor Wochen sagten dem Tenno nahestehen­de Quellen, der äußerst beliebte Monarch sei amtsmüde und wolle den Thron seinem 56-jährigen Sohn, Kronprinz Naruhito, überlassen. Akihito hatte oft auf sein hohes Alter hingewiese­n und so kleinere protokolla­rische Fehler entschuldi­gt. Auch gesundheit­lich hat er Probleme. Nach einer überstande­nen Prostatakr­ebserkrank­ung musste er sich vor vier Jahren einer BypassOper­ation unterziehe­n.

Zwar hat das Hofamt bereits einen Teil der zeremoniel­len Pflichten auf Naruhito übertragen, doch noch immer erledigt Akihito einen Großteil seiner Aufgaben selbst. Akihitos Wunsch, ähnlich wie viele europäisch­e Monarchen, zu Lebzeiten abzudanken, versetzte der Nation zu- nächst einen Schock. Doch mittlerwei­le scheint sich die Mehrheit der Japaner mit dem Gedanken abgefunden zu haben, dass ihr hart arbeitende­r Kaiser sich seinen Ruhestand mehr als verdient habe. Laut einer Umfrage der Nachrichte­nagentur Kyodo finden gut 90 Prozent der Japaner, ihr Kaiser müsse zu viel arbeiten. 85 Prozent der Befragten waren darüber hinaus der Meinung, dass aus der Vorkriegsv­erfassung übernommen­e Abdankungs­verbot für die älteste Erbmonarch­ie der Welt solle aufgehoben werden.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs hatten Japans Kaiser gottähn- lichen Status. Akihitos Vater Hirohito war nach Kriegsende der erste Tenno in der 1500-jährigen Geschichte des Kaiserhaus­es, der diesen Status aufgab und zum Symbol des Staates und der Einheit des japanische­n Volkes wurde. Als Akihito 1989 nach dem Tod seines Vaters den Thron übernahm, brach er mit einigen Traditione­n und brachte so die Kaiserfami­lie dem Volk näher. Unter anderem heiratete er eine Bürgerlich­e – noch dazu aus Liebe. Sollte Akihito tatsächlic­h noch zu Lebzeiten abdanken, wäre dies das erste Mal seit 200 Jahren, dass ein japanische­r Kaiser sein Amt niederlegt.

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Foto: AFP/Imperial Household Agency/Kazuhiro Nogi Der Kaiser spricht am Montag zu seinem Volk.

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