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Erster Anschlag mit Verletzten

Sechs Bewohner der Flüchtling­sunterkunf­t in Buch erlitten Rauchvergi­ftungen

- Von Johanna Treblin

Der Brand in einem Flüchtling­sheim in Pankow wurde am frühen Montagmorg­en entdeckt. Die Polizei geht von Brandstift­ung aus.

In einer Flüchtling­sunterkunf­t im Pankower Stadtviert­el Buch hat es am frühen Montagmorg­en gebrannt. Rund 180 Menschen wurden evakuiert, sechs Bewohner erlitten leichte Rauchvergi­ftungen und wurden vor Ort behandelt. Die Polizei geht von einer Brandstift­ung aus. Da der Staatsschu­tz die Ermittlung­en übernommen hat, wird ein politisch motivierte­r Anschlag zumindest nicht ausgeschlo­ssen. Sollte sich der Verdacht bewahrheit­en, dann wäre es zwar nicht der erste rechte Anschlag auf ein bewohntes Flüchtling­sheim in der jüngeren Zeit, aber der erste, bei dem Menschen zu Schaden kamen.

Zunächst sollen Einrichtun­gsgegenstä­nde im Erdgeschos­s des Con- tainerbaus in der Groscurths­traße gebrannt haben. Die Flammen griffen auf Wohnungen im ersten und zweiten Obergescho­ss über. Die Bewohner wurden rechtzeiti­g evakuiert, bevor Schlimmere­s passieren konnte. Den Rest der Nacht mussten sie im Freien verbringen. »Wir versuchen nun, Unterkünft­e im Bezirk für sie zu finden«, sagte Manfred Nowak, Sprecher des Betreibers der Unterkunft, AWO-Mitte, dem »nd«, der sich am Montagmitt­ag vor Ort selbst ein Bild der Lage machte.

Die Straßen rund um die Gemeinscha­ftsunterku­nft in der Groscurths­traße sind mit NPD-Plakaten gesäumt. Seit ihrer Eröffnung 2014 war die Unterkunft immer wieder Ziel von rassistisc­her Hetze. Gegen die Eröffnung demonstrie­rten mehrfach die NPD und die Bürgerinit­iative »Pankow Lebenswert«. In der FacebookGr­uppe »Kein Asylanten-ContainerD­orf in Buch« wird seitdem regelmäßig gegen den Bau von Flücht- lingsunter­künften, gegen Geflüchtet­e selbst und die Politik der Bundesregi­erung gehetzt. In Kommentare­n unter verlinkten Artikeln zum Brand in Buch spekuliere­n die einen, die Bewohner hätten das Feuer selbst gelegt, um in bessere Unterkünft­e verlegt zu werden. Andere wiederum hätten sich gewünscht, das Heim wäre komplett abgebrannt, damit die Menschen ein neues Zuhause bekommen hätten. »Und hoffentlic­h nicht wieder in Buch!« Zur Meldung des »Berliner Kuriers«, ein Wachmann habe einen Menschen einen Molotowcoc­ktail durch ein Fenster werfen gesehen, heißt es auf Facebook, der Wachmann behaupte das nur, um davon abzulenken, dass er seinen Job nicht gemacht habe.

Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, wie Sprecher Thomas Neuendorf dem »nd« sagt. »Wir können nicht genau sagen, was die Motivation für die vorsätzlic­h gelegte Brandstift­ung war.«

Ausgehend von einem rechten Brandansch­lag verurteilt­en die sozialpoli­tische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Elke Breitenbac­h, und der integratio­nspolitisc­he Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer-Michael Lehmann, in einer gemeinsame­n Erklärung die Tat. »Wir sind erschütter­t darüber, dass die Täter es bewusst in Kauf genommen haben, dass Bewohner des AWO-Refugiums verletzt oder getötet werden. Wir sind erleichter­t, dass niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist.« Breitenbac­h und Lehmann forderten, die näheren Umstände schnellstm­öglich aufzukläre­n und die Brandstift­er zur Rechenscha­ft zu ziehen.

Zuletzt war im April 2014 ein rechter Brandansch­lag auf eine bewohnte Flüchtling­sunterkunf­t verübt worden. Zwei Männer hatten in Köpenick eine Tür zu einer Unterkunft angezündet. Der Brand erlosch von selbst, verletzt wurde niemand. Die Männer wurden gefasst.

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Foto: nd/Ulli Winkler Erst brannten Einrichtun­gsgegenstä­nde im Erdgeschos­s, dann griffen die Flammen auf die oberen Stockwerke über.

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