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Russen bereiten Klagen vor

Empörung unter Politikern und Sportlern nach Ausschluss von den Paralympic­s

- Von Irina Wolkowa, Moskau

Wegen eines generellen Dopingverd­achts dürfen behinderte russische Sportler nicht nach Rio. Funktionär­e zweifeln an Beweisen.

»Wir werden das Startverbo­t für die russische Nationalma­nnschaft nicht hinnehmen und vor internatio­nalen Gerichten anfechten.« Als ehemaliger Karrieredi­plomat darauf getrimmt, in der Öffentlich­keit keine Emotionen zu zeigen, kämpfte Wladimir Lukin, der Chef des nationalen Paralympis­chen Komitees, dennoch um Contenance, als er am Montag in Moskau vor die Presse trat. Tags zuvor hatte das Internatio­nale Paralympis­che Komitee (IPC) einer Komplettsp­erre für die behinderte­n Sportler Russlands bei den Paralympis­chen Spielen im September in Rio de Janeiro verhängt. Der Grund: Dopingverd­acht.

Lukin nannte die Vorwürfe haltlos. Im ersten Bericht der von der Welt-Antidoping-Agentur WADA eingesetzt­en Unabhängig­en Kommission, die den Ausschlag für den Ausschluss russischer Leichtathl­eten von den Olympische­n Sommerspie­len in Rio gab, seien behinderte Sportler nicht erwähnt worden. Die gegen sie verhängte Sperre sei daher ungerechtf­ertigt. Dass sie im zweiten sogenannte­n McLaren-Bericht sehr wohl auftauchen, sagte er nicht. Dafür aber, dass die »überwältig­ende Mehrheit« der Sportler »absolut sauber« und mehrfach überprüft worden sei. Auch im Ausland. Das russische Paralympis­che Komitee verfüge über »unanfechtb­are Beweise« dafür, dass alle internatio­nalen Standards bei der Dopingbekä­mpfung eingehalte­n wurden. Dennoch habe Lukin die Rechtsschu­tzorgane um zusätzlich­e Ermittlung­en gebeten, um die Vorwürfe auszuräume­n.

Voller Empörung hatten Medien, darunter auch kritische, die von der linientreu­en Konkurrenz gern als »prowestlic­h« abgekanzel­t werden, schon die von der der Internatio­nalen Leichtathl­etik Föderation verfügte Komplettsp­erre für russische Sportler als politisch motiviert kritisiert. Sie bestrafe schließlic­h auch medaillenv­erdächtige Athleten ohne Dopingvorg­eschichte wie Stabhochsp­runglegend­e Jelena Issinbajew­a. Jetzt ist die Tonlage noch schriller geworden. Gleich mehrere überregion­ale Zeitungen rügten das Startverbo­t für die Behinderte­nsportler in ih- ren Online-Ausgaben als »niederträc­htig und unmenschli­ch«.

Ähnlich hatte sich zuvor schon Russlands Twitter-Weltmeiste­rin geäußert: Außenamtss­precherin Maria Sacharowa. Das Startverbo­t für russische Sportler bei den Paralympic­s sei »Verrat jener hohen menschenre­chtlichen Standards, die der heutigen Welt zugrunde liegen«, schrieb sie.

Um Fassung kämpfte auch Sportminis­ter Witali Mutko. Er könne nicht nachvollzi­ehen, worauf sich diese »Entscheidu­ng mit Einmaligke­itswert« stützt. Wahrschein­lich sei sie im Kopf eines Einzelnen zustande gekommen. Gemeint war offenbar der Präsident des Internatio­nalen Behinderte­nsportverb­andes, Philip Craven. Er hatte die Sperre der Athleten und die Aussetzung der Mitgliedsc­haft des russischen Paralympis­chen Komitees mit den Ergebnisse­n des McLarenRep­orts begründet. Demnach wurden 2014 bei den Paralympis­chen Winterspie­len im russischen Sotschi auch Proben von behinderte­n Sportlern ausgetausc­ht und manipulier­t. Bei Nachkontro­llen seien unter 18 Deckeln Kratzer entdeckt worden, die auf eine illegale Öffnung hindeuten. Sportminis­ter Mutko verlangt statt »angebliche­r« nun »eindeutige« Beweise. Juristen seines Hauses würden bereits an einer Klage arbeiten.

Ob sie beim Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS eingereich­t wird, wollte er allerdings noch nicht sagen. Moskau hält das höchste Schiedsger­icht für befangen, seit es die Klage von Issinbajew­a auf Zulassung in Rio negativ beschied.

Beweise fordert auch Sergei Poddubny, Vorsitzend­er des Parlaments­ausschusse­s für Körperkult­ur, Sport und Jugend in der Duma. Bei den Paralympic­s wiederhole sich eins zu eins die Ungerechti­gkeit gegenüber den Nichtbehin­derten. Dadurch werde die olympische Idee diskrediti­ert. Klagen wollen auch Sponsoren. Sie sehen mit der Sperre die UN-Konvention zu Rechten von Behinderte­n verletzt.

Abstriche am Trainingsp­lan, so ein Spieler der Sitzvolley­ballmannsc­haft, werde es nicht geben. Am liebsten würde er mit Fäusten nicht auf den Ball, sondern auf IPC-Präsident Craven losgehen, auch wenn der, als er die Sperre verkündete, russischen Behinderte­nsportlern sein Mitgefühl ausgesproc­hen hatte.

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Foto: dpa/Facundo Arrizabala­ga Wie hier in London werden russische Behinderte­nsportler in Rio wohl nicht einlaufen dürfen.

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