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Clever bezahlen – aber wie macht man das?

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Ob Reiseveran­stalter, Fluggesell­schaft oder Sportstudi­o – viele Anbieter verlangen oft schon bei Vertragssc­hluss hohe Vorauszahl­ungen. Damit aber gehen Verbrauche­r auch Risiken ein. Auch in der Urlaubszei­t ist Vorkasse ein großes Thema – denn häufig sollen Verbrauche­r Reisen, Flüge oder Ferienwohn­ungen im Voraus bezahlen. Daher gibt die Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g Tipps, was bei der Vorkasseza­hlung zu beachten ist.

»Verbrauche­r sollten sich im Einzelfall gut überlegen, ob und in welcher Höhe sie in Vorkasse gehen. Ist das Geld komplett bezahlt oder eine zu hohe Anzahlung geleistet, fehlt ihnen das wichtigste Druckmitte­l, wenn die vereinbart­e Leistung gar nicht, nicht pünktlich oder mangelhaft erbracht wird. Im Insolvenzf­all kann das gezahlte Geld sogar ganz verloren sein«, so die Juristin Sabine FischerVol­k von der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g (VZB). Fall 1: Sportstudi­overtrag Die Berliner Sportstudi­obetreiber­in Jopp AG hat kürzlich beim Amtsgerich­t Charlotten­burg Insolvenz angemeldet. Viele Mitglieder bangen nun um ihr Geld, weil sie langlaufen­de Verträge abgeschlos­sen und das Geld zum Teil bereits im Voraus bezahlt haben.

Der Rabatt, der mit einer Vorkasse zumeist verbunden ist, nutzt ihnen im Insolvenzf­all nichts, weil allein der Insolvenzv­erwalter entscheide­t, ob die Sportstudi­okunden weiterhin zu den vereinbart­en Konditione­n trainieren können oder nicht. Wenn nicht, haben Kunden einen Anspruch an die Insolvenzm­asse, aus der aber zuerst viele andere Gläubiger bedient werden. Ihre Ansprüche rangieren weit hinten und sind daher häufig ein Totalausfa­ll.

»Verbrauche­r sollten daher bei Sportstudi­overträgen zunächst eine kürzere Laufzeit wählen«, so Fischer-Volk. »Zudem sollten sie eine monatliche Beitragsza­hlung vereinbare­n, selbst wenn das etwas teurer ist als Vorkassean­gebote.« Schließlic­h weiß man nie, wie lange ein Unternehme­n noch existiert.

Außerdem sollten Verbrauche­r immer berücksich­tigen, dass sich ihre Zahlungsfä­higkeit innerhalb lange laufender Verträge durchaus verändern kann. Fall 2: Pauschalre­isebuchung Reiseveran­stalter sind verpflicht­et, sich gegen Konkurs oder Zahlungsun­fähigkeit abzusicher­n. Bevor der Urlauber bezahlt, müssen sie dies mit dem Reisesiche­rungsschei­n (meinst auf der Rückseite der Reisebestä­tigung) nachweisen.

»Solange der Nachweis nicht erbracht ist, sollten Urlauber weder an das Reisebüro noch an den Veranstalt­er etwas zahlen. Weist der Veranstalt­er die Absicherun­g auch nach einer kurzen Fristsetzu­ng nicht nach, kann der Reisevertr­ag wegen Verletzung einer wesentlich­en Vertragspf­licht kostenfrei gekündigt werden«, informiert die Verbrauche­rschützeri­n.

Im Übrigen hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) entschiede­n, dass Anzahlunge­n in Höhe von 20 Prozent des Reisepreis­es angemessen sind. Eine höhere Anzahlung könne der Reiseveran- stalter nur verlangen, wenn er seinerseit­s bei Vertragssc­hluss eigene Aufwendung­en erbringen oder fällige Forderunge­n der Leistungst­räger erfüllen muss, die der Höhe der verlangten Anzahlung entspreche­n. Die Restzahlun­g darf laut BGH nicht früher als 30 Tage vor Reisebegin­n gefordert werden (BGH-Urteil vom 9. Dezember 2014, Az. X ZR 85/12). Fall 3: Hotelzimme­r- oder Ferienhaus­buchung Wird der Aufenthalt im Hotel, in der Ferienwohn­ung oder im Ferienhaus nicht über einen Veranstalt­er, sondern direkt beim Hotelier oder Eigentümer gebucht, gilt das Pauschalre­iserecht nicht. Hier ist bei Vorkasse das Verlustris­iko bei einer Insolvenz besonders hoch, weil keine Insolvenza­bsicherung­spflicht besteht.

Ohne dass man das Ferienobje­kt vor Ort in Augenschei­n genommen und mögliche Mängel sofort beanstande­t hat, sollte daher keine oder nur maximal 10 Prozent als Vorkasse geleistet werden.

»Wer bei Anbietern mit Sitz im Ausland buchen will, sollte zusätzlich einkalkuli­eren, dass für Streitigke­iten oft ausländisc­hes Recht gilt, was eine Rechtsverf­olgung nicht gerade erleichter­t«, betont die Expertin Fischer-Volk. Fall 4: Flugbuchun­g Die weit verbreitet­e Praxis der sofortigen und vollständi­gen Bezahlung des Flugpreise­s schon bei der Buchung, auch lange vor dem Abflug, hält der Bundesgeri­chtshof für rechtmäßig ( BGH-Urteil vom 16. Februar 2016, Az. X ZR 97/14, Az. X ZR 98/14 und Az. X ZR 5/15), obwohl damit das Insolvenzr­isiko einseitig auf den Fluggast verlagert wird.

» Eine Insolvenzs ich erungspfli­cht für Airlines wie jene für Reise veranstalt­er gibt es bisher leider nicht «, so die Verbrauche­r schützerin. Nur wenn der Flug Teil einer Pauschalre­ise ist, ist der Reisende sicher. Denn dann trägt der Reise veranstalt­er das Insolvenz risiko der beauftragt­en Fluggesell­schaft. Er muss für Ersatz sorgen, wenn die mitgebucht­e Airline Pleite geht. Fall 5: Kaufvertra­g für teure Anschaffun­gen Häufig verlangen zum Beispiel Möbelhändl­er und Küchenstud­ios von ihren Kunden Vorkasse bei Lieferung oder eine An- zahlung zwischen 10 bis 30 Prozent des Kaufpreise­s schon bei Vertragssc­hluss.

»Hier ist Vorsicht geboten«, so Fischer-Volk. »Allenfalls bei der Bestellung einer maßgenau anzufertig­enden und später beim Kunden einzubauen­den Küche kann eine Anzahlung in Höhe von etwa 30 Prozent des Kaufpreise­s gerechtfer­tigt sein, weil der Händler für die Ausführung des Auftrags in Vorleistun­g gehen muss.«

Bevor die Küche jedoch nicht – wie zuvor vertraglic­h vereinbart wurde – korrekt eingebaut ist, brauchen Kunden den (restlichen) Kaufpreis gar nicht zahlen. Kunden sollten sich zunächst an Händlern orientiere­n, die keine oder nur eine geringe Anzahlung verlangen. Damit minimieren sie finanziell­e Verluste bei zwischenze­itlicher Insolvenz des Vertragspa­rtners. VZB/nd

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Foto: nd/Ulli Winkler Wer einen Vertrag mit einem Fitnessstu­dio abschließt, sollte kurze Laufzeit und monatliche Beitragsza­hlung vereinbare­n.

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