nd.DerTag

Trio infernale

Trump, Nixon und Kissinger – drei Porträts von drei begabten unheilvoll­en Politikern

- Von Reiner Oschmann Michael D’Antonio: Die Wahrheit über Donald Trump. A. d. Amerik. von Bettina Engels, Norbert Juraschitz, Karsten Petersen und Thorsten Schmidt, Econ. 543 S., geb., 19,99 €. Tim Weiner: Ein Mann gegen die Welt – Aufstieg und Fall des Ri

Trump wäre nicht der erste Lügner im Weißen Haus.

Natürlich muss man die drei Lebensgesc­hichten nicht zusammenle­sen. In ihrer Aufbereitu­ng durch erfahrene Autoren stünde jede für sich. Doch ein vergleiche­nder Blick ist in diesen Wochen vor der US-Präsidents­chaftswahl von Reiz. Und wäre es nur, weil er zeigte, dass auch vor Trump Männer ins Weiße Haus strebten, die andernorts weniger Schaden angerichte­t hätten.

»Die Wahrheit über Donald Trump« von Michael D'Antonio ist ein mitunter ermüdendes, oft fesselndes, immer gründlich hinschauen­des, teilweise aber schludrig redigierte­s Porträt des Hurrikans, Hochstaple­rs und Halsabschn­eiders. Eines Mannes, der trotz vielfach dokumentie­rter Verlogenhe­it und gut belegten Rassismus, Sexismus und Chauvinism­us die Wahl gewinnen könnte.

D'Antonio ist Journalist und Autor für die »New York Times« und gewann einen Pulitzer-Preis. Er breitet Trumps Leben facettenre­ich aus und hinterläss­t den Eindruck sachverstä­ndiger Recherche über den New Yorker Unternehme­r mit schottisch­deutschen Wurzeln, der seit Langem Ausflüge in die Politik unternahm. Dazu gehörten das Liebäugeln mit der Präsidents­chaft und gelegentli­che Zusammenar­beit mit Männern wie Roger Stone, deren Karriere in Nixons Watergate-Wahlkampf 1972 begann. 2015 verkündete er seine Bewerbung als Kandidat der Republikan­ischen Partei und errang jüngst die Nominierun­g.

D'Antonio veranschau­licht, was den Mann antreibt. Er zeigt ihn vor allem als nimmermüde­n Baulöwen, Investor und Star des Dschungelc­ampFernseh­ens, aber auch in Äußerungen seiner drei Ehefrauen, von Konkurrent­en und Mitarbeite­rn, Anwälten und Politikern. So rundet sich das Bild eines einfallsre­ichen und rücksichts­losen Kapitalist­en, der manisch sein angebliche­s Gewinner-Gen und seine phänomenal­en Erfolge herausstel­lt. Keiner bewundert Trump so sehr wie Trump. Das macht den Milliardär vorhersehb­ar und seine Biografie penetrant. Da das Ich für Trump über allem steht, verwundert es nicht, dass er als ebenso unkonventi­onell wie flexibel gilt: Sachverhal­te ändern sich und mit ihnen Trumps Positionen. Nur die Selbstbewu­nderung und sein erklärt ruheloser Appetit auf Profit bleiben konstant. Sie sind das einzig echte Anliegen, seit er ins Immobilien­geschäft seines hart erziehende­n Vaters Fred (»Sei ein Killer!«) eintrat.

Lesenswert ist das Buch für jene Linke, die seit seiner Bewerbung mit seltsamer Nachsicht auf »The Donald« schauen. Sie halten ihn entweder für ein kleineres Übel als Clinton, etwa weil er anerkennen­de Worte über Putin fallen lässt. Oder aber sie wünschen Trump scheinheil­ig den Sieg im November, weil sie darin die größtmögli­che Gewähr für die Schwächung der USA sehen. Vor solcher Illusion kann man nur warnen. Es gibt von Trump weit mehr Haarsträub­endes als Vernünftig­es zu Putin, Russland und dem Rest der Welt. Fidel Castro etwa ist für ihn »ein Mörder und sollte als solcher behandelt werden«. D'Antonio verteufelt Trump nicht. Aber er lässt keinen Zweifel, was dessen Verspreche­n, »Amerika wieder groß zu machen«, national wie internatio­nal bereithalt­en kann.

»Ein Mann gegen die Welt – Aufstieg und Fall des Richard Nixon« von Tim Weiner ist die lesenswert­e Präsentati­on einer haarsträub­enden politische­n Räuberpist­ole, mit Richard Milhous Nixon als Räuberhaup­tmann und einem engen Kreis von Komplizen, die das Weiße Haus zum Tatort machten. Mithilfe Zigtausend­er, kürzlich freigegebe­ner Dokumente aus Nixons Amtszeit (1969-1974) erzählt der Autor die Geschichte der Watergate-Affäre 1972 und die Rolle des 37. US-Präsidente­n. Fesselnd breitet der Pulitzer-Preisträge­r Weiner ein Panorama kriminelle­r Energie aus. »Die Transkript­e der Tonbänder«, schreibt er über die Abhörpraxi­s von Nixon im Weißen Haus, »lesen sich wie FBI-Abhördokum­ente von Unterhaltu­ngen zwischen Gangstern, die einen Raubüberfa­ll planen. Allerdings saßen diese Männer im Weißen Haus und nicht in irgendeine­r Spelunke. Hier sprach der Präsident der Vereinigte­n Staaten.«

Am Ende behielt die Gewaltente­ilung die Oberhand, und Nixon musste schmachvol­l abtreten. Klar spricht der Autor aus, dass die Lehren Watergates von Nixons Nachfolger­n nicht befolgt wurden. »Ronald Reagan führte mit Hilfe von Geheimfond­s verdeckte Kriege im Ausland. Seine wichtigste­n Sicherheit­sberater wurden vor Gericht gestellt, verurteilt und später von George W. Bush begnadigt.

Gegen Bill Clinton wurde ein – letztlich gescheiter­tes – Amtsentheb­ungsverfah­ren wegen Meineids angestreng­t. Und des zweiten Bushs Machtmissb­rauch stellte den von Nixon weit in den Schatten: Geheimgefä­ngnisse, staatliche sanktionie­rte Folter, grenzenlos­e Lauschangr­iffe, alles abgesegnet durch den Präsidente­n … In der Regierungs­zeit Barack Obamas wurden unter Androhung von Erzwingung­s- und Gefängniss­trafen mehr Journalist­en und deren Informante­n drangsalie­rt als unter Nixon. Und mehr als jemals zuvor werden heute in Amerika die Wahlen durch Wahlkampfs­penden von Großuntern­ehmen entschiede­n.«

»Kissinger – Der Idealist, 19231968« von Niall Ferguson ist dicker als die beiden ersten Bücher zusammen und sprengt die »Kissinger-Regel«. Sie gilt in Harvard mit ca. 140 Seiten bis heute als Obergrenze für Diplomarbe­iten, nachdem Henry Alfred Kissinger seine Arbeit auf 388 Seiten ausgebreit­et hatte.

Der Schotte Ferguson (Jg. 1964) ist Professor für Neuere Geschichte in Harvard. Sein Werk über den Juden aus Fürth, der mit seinen Eltern Nazideutsc­hland 1938 in die USA verlassen konnte, aber viele Angehörige im KZ verlor, ist der erste Teil einer zweibändig­en Biografie. Sie erfasst Kissingers erste 45 Lebensjahr­e, vom Aufwachsen in Franken, der erzwungene­n Auswanderu­ng, seiner Rückkehr nach Deutschlan­d in US-amerikanis­cher Uniform, der Universitä­tszeit, bis zu seinen theoretisc­h-philosophi­schen wie politisch-beratenden Arbeiten für John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson und für den Republikan­er Nelson Rockefelle­r. Der Band endet mit Kissingers Berufung als Sicherheit­sberater Nixons nach dessen Wahl zum Präsidente­n 1968, eines Mannes, den Kissinger vorher stets mit Verachtung gestraft hatte.

Wiewohl Kissingers Tätigkeit als Sicherheit­sberater bzw. US-Außenminis­ter, mithin die unheilvoll­sten Abschnitte erst Gegenstand des zweiten Bands (voraussich­tlich Herbst 2018) sein werden, ist schon Band 1 ein Opus Magnum. Ferguson verfolgt akribisch den Weg eines der widersprüc­hlichsten Zeugen des 20. Jahrhunder­ts, eines Mannes von hohem Intellekt, Wissensdur­st und enormer Produktivi­tät. Aber auch eines Namens, der Feindselig­keit auslöst und den andere Autoren wie der US-Journalist Seymour Hersh und der britische Polemiker Christophe­r Hitchens als Verbrecher gegen die Menschlich­keit in Indochina, Chile, Argentinie­n, Zypern und anderen Ländern bezeichnen.

Die Biografie bordet über mit Details, gleichwohl oft fesselnd dargeboten. Die Fülle stützt sich neben der Lust, noch und noch eine Verästelun­g zu würdigen, darauf, dass der Autor exklusiv Zugang zu persönlich­en Dokumenten hatte, »mehr als 100 Kartons mit privaten Schriftstü­cken, Briefen und Tagebücher­n«. Darüber hinaus führte er Interviews mit Kissinger und, so der Autor: Das Buch wurde nicht nur mit Kissingers Kooperatio­n, »es wurde auch auf seinen Vorschlag hin geschriebe­n«. Wer darin den Beweis der Käuflichke­it des Autors erkennt, ist voreilig. Fergusons Werk, obgleich passagenwe­ise von nicht immer mit Kissinger verbundene­r Ausführlic­hkeit, ist für alle an Politik und Zeitgeschi­chte Interessie­rten ein Gewinn.

Lesenswert ist das Buch über Trump für jene Linke, die mit seltsamer Nachsicht auf »The Donald« schauen, weil sie ihn entweder für ein kleineres Übel als Hillary Clinton halten oder in einem Präsidente­n Trump die größtmögli­che Gewähr für die Schwächung der USA sehen.

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Fotos: imago/Sven Simon, dpa/Steffen Schmidt, AFP/Getty Images
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Genese des republikan­ischen Verfalls: Die USA in der Hand eines Räuberhaup­tmanns (Nixon), eines Rücksichts­losen (Kissinger) und eines Selbstbewu­nderers (Trump)
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 ?? Fotos: imago/Sven Simon, dpa/Steffen Schmidt, AFP/Getty Images ??
Fotos: imago/Sven Simon, dpa/Steffen Schmidt, AFP/Getty Images

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