Trio infernale
Trump, Nixon und Kissinger – drei Porträts von drei begabten unheilvollen Politikern
Trump wäre nicht der erste Lügner im Weißen Haus.
Natürlich muss man die drei Lebensgeschichten nicht zusammenlesen. In ihrer Aufbereitung durch erfahrene Autoren stünde jede für sich. Doch ein vergleichender Blick ist in diesen Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl von Reiz. Und wäre es nur, weil er zeigte, dass auch vor Trump Männer ins Weiße Haus strebten, die andernorts weniger Schaden angerichtet hätten.
»Die Wahrheit über Donald Trump« von Michael D'Antonio ist ein mitunter ermüdendes, oft fesselndes, immer gründlich hinschauendes, teilweise aber schludrig redigiertes Porträt des Hurrikans, Hochstaplers und Halsabschneiders. Eines Mannes, der trotz vielfach dokumentierter Verlogenheit und gut belegten Rassismus, Sexismus und Chauvinismus die Wahl gewinnen könnte.
D'Antonio ist Journalist und Autor für die »New York Times« und gewann einen Pulitzer-Preis. Er breitet Trumps Leben facettenreich aus und hinterlässt den Eindruck sachverständiger Recherche über den New Yorker Unternehmer mit schottischdeutschen Wurzeln, der seit Langem Ausflüge in die Politik unternahm. Dazu gehörten das Liebäugeln mit der Präsidentschaft und gelegentliche Zusammenarbeit mit Männern wie Roger Stone, deren Karriere in Nixons Watergate-Wahlkampf 1972 begann. 2015 verkündete er seine Bewerbung als Kandidat der Republikanischen Partei und errang jüngst die Nominierung.
D'Antonio veranschaulicht, was den Mann antreibt. Er zeigt ihn vor allem als nimmermüden Baulöwen, Investor und Star des DschungelcampFernsehens, aber auch in Äußerungen seiner drei Ehefrauen, von Konkurrenten und Mitarbeitern, Anwälten und Politikern. So rundet sich das Bild eines einfallsreichen und rücksichtslosen Kapitalisten, der manisch sein angebliches Gewinner-Gen und seine phänomenalen Erfolge herausstellt. Keiner bewundert Trump so sehr wie Trump. Das macht den Milliardär vorhersehbar und seine Biografie penetrant. Da das Ich für Trump über allem steht, verwundert es nicht, dass er als ebenso unkonventionell wie flexibel gilt: Sachverhalte ändern sich und mit ihnen Trumps Positionen. Nur die Selbstbewunderung und sein erklärt ruheloser Appetit auf Profit bleiben konstant. Sie sind das einzig echte Anliegen, seit er ins Immobiliengeschäft seines hart erziehenden Vaters Fred (»Sei ein Killer!«) eintrat.
Lesenswert ist das Buch für jene Linke, die seit seiner Bewerbung mit seltsamer Nachsicht auf »The Donald« schauen. Sie halten ihn entweder für ein kleineres Übel als Clinton, etwa weil er anerkennende Worte über Putin fallen lässt. Oder aber sie wünschen Trump scheinheilig den Sieg im November, weil sie darin die größtmögliche Gewähr für die Schwächung der USA sehen. Vor solcher Illusion kann man nur warnen. Es gibt von Trump weit mehr Haarsträubendes als Vernünftiges zu Putin, Russland und dem Rest der Welt. Fidel Castro etwa ist für ihn »ein Mörder und sollte als solcher behandelt werden«. D'Antonio verteufelt Trump nicht. Aber er lässt keinen Zweifel, was dessen Versprechen, »Amerika wieder groß zu machen«, national wie international bereithalten kann.
»Ein Mann gegen die Welt – Aufstieg und Fall des Richard Nixon« von Tim Weiner ist die lesenswerte Präsentation einer haarsträubenden politischen Räuberpistole, mit Richard Milhous Nixon als Räuberhauptmann und einem engen Kreis von Komplizen, die das Weiße Haus zum Tatort machten. Mithilfe Zigtausender, kürzlich freigegebener Dokumente aus Nixons Amtszeit (1969-1974) erzählt der Autor die Geschichte der Watergate-Affäre 1972 und die Rolle des 37. US-Präsidenten. Fesselnd breitet der Pulitzer-Preisträger Weiner ein Panorama krimineller Energie aus. »Die Transkripte der Tonbänder«, schreibt er über die Abhörpraxis von Nixon im Weißen Haus, »lesen sich wie FBI-Abhördokumente von Unterhaltungen zwischen Gangstern, die einen Raubüberfall planen. Allerdings saßen diese Männer im Weißen Haus und nicht in irgendeiner Spelunke. Hier sprach der Präsident der Vereinigten Staaten.«
Am Ende behielt die Gewaltenteilung die Oberhand, und Nixon musste schmachvoll abtreten. Klar spricht der Autor aus, dass die Lehren Watergates von Nixons Nachfolgern nicht befolgt wurden. »Ronald Reagan führte mit Hilfe von Geheimfonds verdeckte Kriege im Ausland. Seine wichtigsten Sicherheitsberater wurden vor Gericht gestellt, verurteilt und später von George W. Bush begnadigt.
Gegen Bill Clinton wurde ein – letztlich gescheitertes – Amtsenthebungsverfahren wegen Meineids angestrengt. Und des zweiten Bushs Machtmissbrauch stellte den von Nixon weit in den Schatten: Geheimgefängnisse, staatliche sanktionierte Folter, grenzenlose Lauschangriffe, alles abgesegnet durch den Präsidenten … In der Regierungszeit Barack Obamas wurden unter Androhung von Erzwingungs- und Gefängnisstrafen mehr Journalisten und deren Informanten drangsaliert als unter Nixon. Und mehr als jemals zuvor werden heute in Amerika die Wahlen durch Wahlkampfspenden von Großunternehmen entschieden.«
»Kissinger – Der Idealist, 19231968« von Niall Ferguson ist dicker als die beiden ersten Bücher zusammen und sprengt die »Kissinger-Regel«. Sie gilt in Harvard mit ca. 140 Seiten bis heute als Obergrenze für Diplomarbeiten, nachdem Henry Alfred Kissinger seine Arbeit auf 388 Seiten ausgebreitet hatte.
Der Schotte Ferguson (Jg. 1964) ist Professor für Neuere Geschichte in Harvard. Sein Werk über den Juden aus Fürth, der mit seinen Eltern Nazideutschland 1938 in die USA verlassen konnte, aber viele Angehörige im KZ verlor, ist der erste Teil einer zweibändigen Biografie. Sie erfasst Kissingers erste 45 Lebensjahre, vom Aufwachsen in Franken, der erzwungenen Auswanderung, seiner Rückkehr nach Deutschland in US-amerikanischer Uniform, der Universitätszeit, bis zu seinen theoretisch-philosophischen wie politisch-beratenden Arbeiten für John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson und für den Republikaner Nelson Rockefeller. Der Band endet mit Kissingers Berufung als Sicherheitsberater Nixons nach dessen Wahl zum Präsidenten 1968, eines Mannes, den Kissinger vorher stets mit Verachtung gestraft hatte.
Wiewohl Kissingers Tätigkeit als Sicherheitsberater bzw. US-Außenminister, mithin die unheilvollsten Abschnitte erst Gegenstand des zweiten Bands (voraussichtlich Herbst 2018) sein werden, ist schon Band 1 ein Opus Magnum. Ferguson verfolgt akribisch den Weg eines der widersprüchlichsten Zeugen des 20. Jahrhunderts, eines Mannes von hohem Intellekt, Wissensdurst und enormer Produktivität. Aber auch eines Namens, der Feindseligkeit auslöst und den andere Autoren wie der US-Journalist Seymour Hersh und der britische Polemiker Christopher Hitchens als Verbrecher gegen die Menschlichkeit in Indochina, Chile, Argentinien, Zypern und anderen Ländern bezeichnen.
Die Biografie bordet über mit Details, gleichwohl oft fesselnd dargeboten. Die Fülle stützt sich neben der Lust, noch und noch eine Verästelung zu würdigen, darauf, dass der Autor exklusiv Zugang zu persönlichen Dokumenten hatte, »mehr als 100 Kartons mit privaten Schriftstücken, Briefen und Tagebüchern«. Darüber hinaus führte er Interviews mit Kissinger und, so der Autor: Das Buch wurde nicht nur mit Kissingers Kooperation, »es wurde auch auf seinen Vorschlag hin geschrieben«. Wer darin den Beweis der Käuflichkeit des Autors erkennt, ist voreilig. Fergusons Werk, obgleich passagenweise von nicht immer mit Kissinger verbundener Ausführlichkeit, ist für alle an Politik und Zeitgeschichte Interessierten ein Gewinn.
Lesenswert ist das Buch über Trump für jene Linke, die mit seltsamer Nachsicht auf »The Donald« schauen, weil sie ihn entweder für ein kleineres Übel als Hillary Clinton halten oder in einem Präsidenten Trump die größtmögliche Gewähr für die Schwächung der USA sehen.