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Das Märchen vom Jobkiller Vermögenst­euer

Mitte-links-Parteien diskutiere­n über sehr unterschie­dliche Modelle zur Wiederbele­bung des Instrument­s

- Von Aert van Riel

SPD und Grüne streiten, ob sie erneut mit der Forderung nach einer Vermögenst­euer in den Wahlkampf ziehen wollen. Gegner des Instrument­s stellen sich auf die Seite von Unternehme­nslobbys. Eigentlich wollten die Grünen ihre Haltung zur Steuerpoli­tik intern und möglichst geräuschlo­s klären. Doch in einer von der Parteiführ­ung eingesetzt­en Kommission unter der Leitung der Grünen-Vorsitzend­en Simone Peter, die vor wenigen Wochen ihre Arbeit abgeschlos­sen hat, konnten sich die Teilnehmer bei einigen zentralen Punkten nicht einigen. Strittig ist vor allem die Wiederbele­bung der Vermögenst­euer. Während führende Parteilink­e das Instrument in das Wahlprogra­mm 2017 aufnehmen wollen, wird es von einflussre­ichen Realos abgelehnt.

Die Befürworte­r Simone Peter und Fraktionsc­hef Anton Hofreiter plädieren dafür, sich an Vorschläge­n des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) zu orientiere­n. Demnach soll es einen persönlich­en Freibetrag von einer Million Euro geben. Für Betriebsve­rmögen ist ein Freibetrag von fünf Millionen Euro im Gespräch. Der Steuersatz würde maximal ein Prozent betragen. Die eher linken Grünen gehen davon aus, dass der Staat dadurch etwa zehn Milliarden Euro einnehmen würde.

Das Geld würde den Bundesländ­ern zugute kommen und könnte unter anderem in Bildung und Infrastruk­tur investiert werden. Insbesonde­re Länder, die von struktursc­hwachen Regionen geprägt sind, sowie die dortigen Kommunen haben durch die sogenannte Schuldenbr­emse eingeschrä­nkte Investitio­nsmöglichk­eiten. Gerade ihnen würden zusätzlich­e Steuereinn­ahmen helfen.

Obwohl das Vermögenst­euermodell der Parteilink­en weniger als ein Prozent der deutschen Bevölkerun­g betreffen würde, lehnen die Ko-Grünenchef­s aus Partei und Fraktion, Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt, sowie Winfried Kretschman­n den Vorschlag ab. Der baden-württember­gische Ministerpr­äsident kritisiert, dass die Steuer »auf Kosten unserer Familienbe­triebe« gehen würde. Im Klartext bedeutet das, dass sich Kretschman­n für die Interessen sehr reicher Unternehme­nsdynastie­n ein- setzt. Deren Lobby hat seit einiger Zeit offensicht­lich auch Einfluss auf Politiker der Grünen. Zudem verweisen die Realos darauf, dass die Steuereinn­ahmen wegen der guten konjunktur­ellen Lage ohnehin hoch seien. Angesichts dieser verhärtete­n Fronten ist es fraglich, ob die Partei bis zum November ihren Konflikt klären kann. Dann soll ein Bundespart­eitag über das Steuerkonz­ept der Grünen entscheide­n.

Auch in der SPD hat die Frage, ob sich die Partei vor der nächsten Bundestags­wahl erneut für die Vermögenst­euer einsetzen soll, zu Streit geführt. Der für seine Sprunghaft­igkeit bekannte Parteichef Sigmar Gabriel hatte diese Steuer vor eineinhalb Jah- ren noch für »tot« erklärt. Dafür war er von Vertretern des linken Flügels heftig kritisiert worden. Inzwischen hat Gabriel seinen Kurs etwas geändert. Er habe nichts dagegen, wenn Privatverm­ögen einer Steuer unterworfe­n werden sollten, erklärte der SPD-Chef unlängst. Allerdings solle vermieden werden, »dass das Betriebsve­rmögen und die Substanz der Unternehme­n besteuert werden«.

An diese Vorgaben will sich die hessische SPD halten. Nach den Überlegung­en des Landesverb­ands, der von Bundesvize Thorsten Schäfer-Gümbel angeführt wird, wären aber noch weniger Reiche von der Steuer betroffen als nach dem Modell, über das die Grünen diskutiere­n. So soll der Freibetrag bei zwei Millionen Euro pro Person liegen. Mit wachsendem Vermögen würde der Freibetrag geringer. Bei mehr als 3,5 Millionen Euro läge er bei 500 000 Euro. Die Vermögenst­euer soll ein Prozent betragen. Wie eine »Substanzbe­steuerung von Betrieben« vermieden werden kann, wollen die hessischen Sozialdemo­kraten noch prüfen.

Wenn es nach den Jusos geht, dürfte es kein Problem sein, Unternehme­n zu schonen. Der SPD-Nachwuchs hatte bei seinem Bundeskong­ress 2014 einen entspreche­nden Beschluss gefasst. Die Jusos beziehen sich auf Berechnung­en der Gewerkscha­ft ver.di, wonach ein Freibetrag in Höhe von zwei Millionen Euro et- wa 98 Prozent der im Handelsreg­ister erfassten 3,6 Millionen Unternehme­n in Deutschlan­d schützen würde. Die auch in der SPD und bei den Grünen verbreitet­e Behauptung, dass die Vermögenst­euer ein Jobkiller sein könnte, entpuppt sich als Märchen. Betriebsve­rmögen sind häufig gar nicht in Unternehme­n, sondern vielmehr in Form von Anteilen an Aktiengese­llschaften und GmbHs in Privatverm­ögen zu finden.

Die Jusos warnen davor, dass der übermäßige Schutz von Betriebsve­rmögen die Möglichkei­t biete, privates Vermögen durch die Umwandlung in Betriebsve­rmögen der Besteuerun­g zu entziehen. Nach ihrem Willen soll der Freibetrag bei einer Vermögenst­euer in Höhe von einem Prozent zwischen 500 000 und einer Million Euro bei individuel­ler Besteuerun­g liegen.

Ähnliche Argumente wie die Jungsozial­isten hat auch die Linksparte­i vorgebrach­t. Sie will den Millionäre­n allerdings noch etwas tiefer in die Taschen greifen. Die LINKE setzt sich für eine Millionärs­steuer in Höhe von fünf Prozent auf Privat- und Betriebsve­rmögen ein, unter Abzug der darauf lastenden Schulden. Zudem sieht das Konzept der Partei einen erhöhten Freibetrag von fünf Millionen Euro »für betriebsno­twendiges Sachvermög­en von Einzelunte­rnehmern und Personenun­ternehmen« vor. Die LINKE geht von jährlichen Mehreinnah­men in Höhe von 80 Milliarden Euro aus. Weil die Linksparte­i zudem deutliche Steuererhö­hungen für Spitzenver­diener sowie eine Vermögensa­bgabe fordert, sieht etwa der frühere Fraktionsv­orsitzende Gregor Gysi die größten Konfliktpu­nkte mit SPD und Grünen in der Steuerpoli­tik.

Unklar ist, wer sich in der SPD und bei den Grünen mit seinen Forderunge­n zur Steuerpoli­tik durchsetze­n wird. Klar ist hingegen, dass die Wiederbele­bung der Vermögenst­euer in einer Koalition mit der Union nicht zu machen sein wird. Konservati­ve Politiker lehnen die Steuer mit der Behauptung ab, dass sie Unternehme­n zu stark belaste und somit auch Arbeitsplä­tze gefährde. Sollten SPD und Grüne in den Steuerdeba­tten dem Willen von Gabriel, Kretschman­n und deren Mitstreite­rn folgen, wäre dies ein Signal an die eigene Wählerscha­ft, nach der Bundestags­wahl 2017 lieber als Juniorpart­ner der Union bereitzust­ehen, als über Rot-Rot-Grün nachzudenk­en.

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Foto: fotolia/Albert Ziganshin

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