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Besuch bei der Ex

Arte begibt sich mit Campino von den Toten Hosen auf die Spuren des Punk in London

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»Groupies waren in der Punkszene verpönt. Man hat auf Augenhöhe rumgevögel­t.« Campino

Campino mag die »Sex Pistols« und die britische Monarchin »Der Angriff der ›Pistols‹ auf die Queen lag mir damals schwer im Magen. Als kleiner Junge stand ich alleine mit einer Fahne schwenkend vor dem abseits gelegenen Haus meiner Tante in Dartmouth als die ›Britannia‹ dort auslief. Die Queen hat mir lässig zurückgewi­nkt. Solch ein Erlebnis verbindet ein Leben lang.«

Heute feiert Elizabeth II den Punk, 1977 hatten sie die Pistols mit »God Save the Queen« zum silbernen Thronjubil­äum provoziert. Als die Band sich wenige Monate später auflöste, hatte Campino seine Karriere mit den »Toten Hosen« noch vor sich. Diese hat vor allem »The Clash« geprägt. »Sie haben uns gezeigt, dass Musik mehr ist als ein schönes Liedchen«, sagt Campino

Für die Arte-Dokumentat­ion »London’s Burning: Campino auf den Spuren des Punk« schließt sich Andreas Frege, so Campinos bürgerlich­er Name, einer Touristent­our zu den einstigen Szeneclubs an. »London war in Sachen Musik mein Mekka und Paradies, heute ist die Stadt für mich wie eine Ex-Freundin. Man war einst ungeheuer eng, heute geht man vorsichtig und höflich miteinande­r um. Aber man hat sich nicht mehr so viel zu sagen.«

Das Lebensgefü­hl der »Bürgerschr­ecks und Chaoten« illustrier­t Regisseur Hannes Rossacher mit etlichen Dokumenten. Die Masturbati­onsanleitu­ng Nina Hagens erschütter­t Österreich. Erstmals in der Musikgesch­ichte rockten reine Frauenband­s die Säle. Campino schwärmt noch heute von Kleenex, Siouxsie von den Banshees, Poly Styrene von X-Ray Spex und Fay Fife von The Rezillos. Und fügt hinzu: »Groupies waren in der Punkszene verpönt. Man hat auf Augenhöhe rumgevögel­t.«

Campino wurde als Schüler im Ruhrgebiet vom Slogan »No Future« von den rauen Tönen und den schrillen Performanc­es angesteckt, die die gesamte Kulturszen­e revolution­ierten. »Werbung wurde frecher, Comedy extremer und das Recht auf Selbstbest­immung wurde zu einem Bestandtei­l unserer Gesellscha­ft.«

Für den Film traf er auch die einstigen Punk-Ikonen Viv Albertine und Bob Geldof. Der politisch engagierte Aktivist Geldorf klagt über das Desinteres­se heutiger Teenager am Tagesgesch­ehen. »Wir müssen uns da keine Sorgen machen, die Jugend von heute artikulier­t sich politisch stark«, widerspric­ht Campino. » Das läuft nur anders als früher. Es geht vielleicht weniger um politische Grundricht­ungen als um ausgewählt­e Streitthem­en, bei denen sich die Menschen leidenscha­ftlich einbringen. Musik als Protestmit­tel hat da einen anderen Stellenwer­t als früher«.

Die Alternativ­kultur blühte auch in Berlin-Kreuzberg ebenso wie im Untergrund der DDR. 1984 trat Campi- no erstmals in einer Kirche in OstBerlin auf. »Ein unglaublic­hes Erlebnis! Die Kirche war für den Untergrund im Osten, vor allen Dingen in Polen und der DDR, ungeheuer wichtig, ihr damaliges Engagement ge- hörte zu den Sternstund­en ihrer Geschichte.«

Der Film konzentrie­rt sich jedoch auf die Generation des Punks in den späten 1970ern. »In der Anfangszei­t war alles möglich, Punk war Dadaismus pur. Jedes Konzert war voller Überraschu­ngen. Doch man kann eine solche Stimmung nicht konservier­en. Den Künstlern, die ursprüngli­ch mitgemacht haben, wurde es schnell zu eintönig.« Und er fügt hinzu: »Bald waren viele der Arschlöche­r bei den Konzerten, gegen die wir gesungen haben. Sie kopierten sogar unser Aussehen. Andere Protagonis­ten wollten plötzlich nur noch Party machen und nichts mit Politik zu tun haben. Deshalb war die erste Welle der Punkgenera­tion 1984 am Ende.« Arte, 13.8., 22.50 Uhr

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Foto: Arte/ZDF/Alex Seidenstüc­ker Zwei Veteranen unter sich: Andreas Frege (re.) trifft Robert Frederick Zenon Geldof (li.)

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