In meiner Ehre verletzt
Nazife Bayram Tosu ist eine der Suspendierten
Zehntausende Staatsbedienstete wurden seit dem Putschversuch in der Türkei suspendiert. Eine davon ist Nazife Bayram Tosu (46), bislang in der Direktion für Schienensysteme in Istanbul. Die Gewerkschafterin beteuert, keine GülenVerbindungen zu haben, was nun überprüft werden soll. Das Gespräch führte Linda Say (dpa).
Wie haben Sie von Ihrer Suspendierung erfahren?
Vergangenen Freitag habe ich einen Anruf von meiner Arbeitsstelle bekommen. Ich sollte kommen und meine Suspendierung unterschreiben. Das habe ich am darauffolgenden Montag auch getan.
Was wurde Ihnen als Grund für Ihre Suspendierung genannt?
Es wurde überhaupt keine Begründung angegeben! Ich fühle mich in meiner Würde verletzt.
Warum glauben Sie dann, dass es Sie getroffen hat?
Man kennt mich, ich bin die Vorsitzende einer Zweigstelle der (Kommunalgewerkschaft) Tüm Bel-Sen. Ich nehme stark an, dass wir zuvor bereits auf die schwarze Liste gesetzt worden sind. Ich bin seit 26 Jahren aktiv, nehme an Demonstrationen teil und spreche mich seit Jahren offen gegen Putsche und Putschisten aus. Jetzt werde ich wie eine Terrorverdächtige behandelt. Man hat mir mitgeteilt, dass mein Reisepass nicht mehr gültig ist. Mir wurde das natürlichste Recht genommen, nämlich das Recht auf Arbeit. Ich darf nicht einmal mehr die Gemeindegebäude betreten. Das ist wirklich ehrverletzend.
Wollen Sie dagegen etwas unternehmen?
Bevor wir den juristischen Weg einschlagen, haben wir versucht, Kontakt mit Kadir Topbas aufzunehmen, dem Istanbuler Bürgermeister. Leider haben wir keine Antwort bekommen. Weder positiv, noch negativ. Gar keine. Was wird mit den Massensuspendierungen Ihrer Meinung nach bezweckt? Dahinter steckt vielleicht die Absicht, Oppositionelle und Gewerkschafter loszuwerden. Natürlich müssen die Putschisten zur Rechenschaft gezogen werden, aber jemanden zu bestrafen, nur weil er einen Kredit von einer Gülen-nahen Bank aufgenommen hat oder dessen Nachhilfeschulen besucht hat, ist nicht fair. Die Regierung (die bis 2013 mit der Gülen-Bewegung zusammenarbeitete) war es doch, die die Menschen dazu motiviert hat! Diese Menschen stecken sie jetzt in dieselbe Schublade mit den Putschisten.