nd.DerTag

Putins Wahl

- Klaus Joachim Herrmann über die Ablösung des Kreml-Stabschefs

Die Ablösung des Chefs der Kremladmin­istration sieht trotz kräftiger Lobesworte nach einem Absturz aus. Nur Einfaltspi­nsel glauben, dieser Mann sortierte im Vorzimmer des russischen Präsidente­n fast fünf Jahre die Unterschri­ftenmappe. Lange Zeit galt Sergej Iwanow als ausdauernd­ster und engster Vertrauter seines Dienstherr­n.

Nach Art eines US-Vize war er nur einen Herzschlag vom immer mächtigere­n Präsidente­n entfernt. Dabei machte der KGB-Mann aus Leningrad und Sowjetzeit­en als Chef der strategisc­hen Planung des Geheimdien­stes, Diplomat, Generalobe­rst, Verteidigu­ngsministe­r und Vizepremie­r mit dem Schwergewi­cht Wirtschaft und im Sicherheit­srat parallel zum Präsidente­n seine eigene Karriere. Einen Monat bevor Wladimir Wladimirow­itsch ins höchste Amt kam, war sein früher Weggefährt­e Sergej Borisowits­ch bereits Sekretär des Sicherheit­srates.

Für den neuen Job ist Iwanow dramatisch überqualif­iziert. Der 63Jährige könnte auf Rente oder Vortragsre­isen gehen. Er hat mehr zu bieten als andere in diesem Genre. Doch am 18. September ist Parlaments­wahl, auch Putin muss eine Wahl treffen. Er könnte einen Premier anstelle des verblassen­den Dmitri Medwedjew brauchen. Oder: Zwei Jahre später ist Präsidente­nwahl. Iwanow hat die Statur und bleibt in Reichweite.

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