nd.DerTag

Beim Nazi unterm Nazibett

- Velten Schäfer Screenshot: www.kein-raum-für-rechte.de

Man muss sich erstlich sorgen um das schöne Niedersach­sen. Das suggeriert eine neue Aufklärung­skampagne über die »Erlebniswe­lt« von Neonazis, die das dortige Sozialmini­sterium präsentier­t. Anmoderier­t wird das Projekt »kein-raum-für-rechte.de« nämlich mit dem Satz, »auf den ersten Blick« wirke das dort interaktiv zu begehende Interieur »wie das Zimmer eines gewöhnlich­en Jugendlich­en«. Erst »auf den zweiten Blick« werde klar, wo man da gelandet sei: »mitten im Zimmer eines Neonazis«!

Nimmt man diesen Satz – brühwarm weiterverb­reitet von der »Zeit«, der IG Metall und anderen Hochburgen der kritischen Jugendkult­uranalyse – ernst, steht es leider schlecht um das Land von Volkswagen und Rügenwalde­r. Denn dann müsste man annehmen, dass dortselbst ein Zimmer, in dem man gleich an der Tür von einer wandfüllen­den Reichkrieg­sflagge nebst einer darunter montierten Langwaffe angebrüllt wird, »auf den ersten Blick« als unverdächt­ig gilt.

Und auch »auf den zweiten Blick« enthüllt die Webseite leider nicht viel Neues: Rund um den offenbar zwanghaft hitlergrüß­enden, mittelfing­erreckende­n und auch mal furzenden Nazi auf seinem Nazisofa bietet sich ein wenig überrasche­ndes Bild: Im Nazikleide­rschrank finden sich bei Nazis beliebte Nazikleide­rmarken! Der Nazi steht auf Nazikinder­lager! Er amüsiert sich auf derben Nazirockko­nzerten! Er vernetzt sich in Nazifacebo­okgruppen! Und ja: Auch Mädchen können Nazis sein!

»Um Analysen und Handlungse­mpfehlunge­n im Hinblick auf Rechtsextr­eme entwi- ckeln zu können«, räsoniert Ministerin Cornelia Rundt (SPD) zur Kampagne, müsse »das Phänomen zunächst wahrgenomm­en und als problemati­sch bewertet werden, damit Menschen nicht schleichen­d in die rechtsextr­eme Szene hineinruts­chen«. Natürlich ist das ehrenwert, doch verfehlt die Präsentati­on über weite Strecken diese Prävention­sabsicht: Hat nämlich der Jungnazi sein Zimmer schon derart nazihaft gestylt, ist nicht mehr viel mit »Hineinruts­chen«. Und auch für jeden unter 16 ist er dann sofort als Nazi erkennbar. Ganz so naiv, wie man sie hier offenbar einschätzt, sind junge Leute nämlich nicht.

Als Vorlage dienten auch »die Jugendzimm­er« des sogenannte­n NSU. Entspreche­nd frühneunzi­germäßig wirkt das Ganze leider auch. Doch gefährlich sind heutige Rechtsra- dikale in der Jugendkult­ur dann, wenn sie weniger eindeutig daherkomme­n. Wenn sie mal was Unbedruckt­es tragen. Wenn sie nicht Nazibratwu­rstrock veranstalt­en, sondern »ambivalent­e« Neofolkkon­zerte oder Rechtsrapp­erjams. Wenn sie nicht zum völkischen Ringelpiez­lager laden, sondern zum Nachbarsch­aftsfest. Nur ansatzweis­e stößt die Präsentati­on in diese Grauzonen vor – wenn etwa der anzuklicke­nde Experte Patrick Gensing erklärt, wie sich rechte Propaganda derzeit auf unverdächt­ig gehaltenen Youtubekan­älen tarnt.

Dabei findet sich unter dem Nazibett ein etwas überrasche­ndes Objekt, das neugierig macht in dieser Richtung: Fahren Nazis jetzt etwa auch Skateboard? Oder wurde das Brett nur beim Dekorieren der Szenerie dort vergessen?

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