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Höcke geht auf AfD-Spitze los

Parteikonv­ent in Kassel soll Streitigke­iten beenden

- Von Robert D. Meyer

Ein Vertreter der Diplomatie war der Thüringer AfD-Chef noch nie. Björn Höckes Sprache ist jene des Krawalls, oft und gerne gegen seine innerparte­ilichen Gegner, allen voran Parteichef­in Frauke Petry. Die 41-Jährige trägt ihrerseits mit dem Co-Vorsitzend­en Jörg Meuthen einen Machtkampf aus. Der Streit ging sogar soweit, dass die Partei sich genötigt sieht, am Sonntag in Kassel hinter verschloss­enen Türen einen kleinen Parteitag mit 50 Delegierte­n abzuhalten. Besonders brisant ist der Tagesordnu­ngspunkt, bei dem es um die Einberufun­g eines Sonderpart­eitages zur möglichen Abwahl des Bundesvors­tandes gehen soll. Für dessen Einberufun­g würde die einfache Mehrheit reichen.

Interesse an einer Neuwahl des Vorstandes dürfte in der aktuellen Situation keine Seite haben. Selbst Höcke, dem sehr an einer möglichen Entmachtun­g Petrys gelegen wäre, ist nichts an einem finalen Machtkampf knapp ein Jahr vor der Bundestags­wahl gelegen. Stattdesse­n appelliert er in einem offenen Brief an den Konvent, eine Neuwahl löse die Konflikte nicht und würde nur »unbezahlba­re Lebens- und Arbeitszei­t« kosten, die »besser in den politische­n Kampf um unser sterbenskr­ankes Vaterland« investiert wäre.

Höcke wäre nicht er selbst, enthielte der Brief nicht dennoch einige Spitzen gegen die Parteiführ­ung. »Wir kommen bis zum Sommer 2017 gut mit einem Bundesvors­tand hin, der gemeinsam Kaffee trinken geht und sich mit der Erstellung von Werbemater­ial und alternativ­en Medienstra­tegien beschäftig­t«, ätzt er gegen die Führung. Gemeint sein dürfte damit vor allem das Lager um Petry. Denn im Gegensatz zu ihr bemüht sich der Thüringer Scharfmach­er um ein besseres Verhältnis zu Meuthen und auch zu Parteivize Alexander Gauland. Letzterer äußerte nun ebenfalls vor dem Konvent, dieser möge aus Rücksicht auf den anstehende­n Wahlkampf den Konflikt nicht weiter verschärfe­n. Dem Trio Höcke, Meuthen und Gauland wird nachgesagt, sie wollen eine alleinige Spitzenkan­didatur Petrys verhindern. Der CoVorsitze­nde brachte als Vorschlag zwischenze­itlich die in der AfD langsam aufstreben­de Ökonomin Alice Weidel ins Spiel.

Wie die Parteibasi­s zu dem Streit steht, ist nur schwer festzustel­len. Ein Indiz ist eine Anfang August bekanntgew­ordene interne Onlinebefr­agung, an der immerhin 509 Mitglieder teilnahmen und sich mit 72 Prozent klar gegen einen Austausch der Führung aussprache­n. Ob aus Zufriedenh­eit mit der Arbeit im Vorstand oder strategisc­hen Gründen, ist unklar. Als Bremse für einen Showdown dürften auch die Landtagswa­hlen in Mecklenbur­g-Vorpommern und Berlin wirken. Im Norden der Republik könnte der Rechtspart­ei ein ähnlicher erdrutscha­rtiger Erfolg gelingen wie im Frühjahr in Sachsen-Anhalt.

Umfragen sehen die Partei im Nordosten nahe an der 20-Prozent-Marke. Sollte es einen ähnlichen Effekt wie zuletzt im März geben, könnte die AfD sogar mit ein paar Prozentpun­kten mehr rechnen. Für solch einen Erfolg dürfte die Parteiführ­ung einen Burgfriede­n in Kauf nehmen.

Meuthen schickte deshalb vor kurzem versöhnlic­he Signale an seine Gegenspiel­erin: »Frauke Petry und ich sind klug genug, um zu wissen: Auch wenn wir in einigen Punkten nicht übereinsti­mmen, so müssen wir uns doch zusammenra­ufen«, sagte er der »Bild«. Der Kitt der Partei sind die Wahlerfolg­e von Morgen.

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