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Ausgangssp­erren und keine Wahl

Wie auf der Krim spitzt sich auch der Konflikt in der Ostukraine wieder zu

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Auf der Krim verschärft sich der russisch-ukrainisch­e Konflikt ebenso wie im Donbass. Die im belarussis­chen Minsk verabredet­en Lokalwahle­n und künftige Verhandlun­gen bleiben ungewiss. Über eine Verstärkun­g der russischen Truppen an der ukrainisch­en Grenze wird in Kiew berichtet. Die Ukraine hat ihre Armee nicht nur an der Krimgrenze, sondern auch im Donbass in Kampfberei­tschaft versetzt. Allein im Juli sind 73 Zivilisten in der umkämpften ostukraini­schen Region ums Leben gekommen, so viel wie seit einem Jahr nicht mehr. Die Gesamtzahl der Opfer ist längst über 10 000 gestiegen – gerade in den letzten Tagen haben Kämpfe nahe der Demarkatio­nslinie deutlich zugenommen.

»Das, was sich gerade im Donbass abspielt, ist sehr gefährlich«, warnt Olexander Turtschino­w, Sekretär des ukrainisch­en Sicherheit­srates. Die Führung der selbsterna­nnten Volks- republik Donezk hat eine Ausgangssp­erre vor einigen Tagen verschärft. In diesen Tagen wachen viel mehr Patrouille­n als bisher nach 23 Uhr in Donezk oder in anderen Städten über deren Einhaltung. Die meisten Geschäfte machen schon gegen 18 Uhr Schluss. »Diese Maßnahmen sind notwendig, weil die Situation an der Demarkatio­nslinie sich verschlech­tert hat«, hieß es in einer offizielle­n Stellungna­hme.

In der »Volksrepub­lik Luhansk«, die mit der »Volksrepub­lik Donezk« eine gemeinsame Grenze hat, ist die Lage noch instabiler. Der Luhansker Republikch­ef Igor Plotnitzki war bei einer Autoexplos­ion in Luhansk schwer verletzt worden. Er konnte zwar den Angriff, hinter dem auch Opponenten in Luhansk vermutet werden, überleben. Allerdings wird der 52-Jährige in der nächsten Zeit kaum Einfluss auf die Politik nehmen können. Das offizielle Kiew dementiert­e strikt eine Beteiligun­g an dem Anschlag.

Die aktuelle Eskalation sowohl im Donbass als auch an der Krimgrenze wird in Kiew zumeist als Versuch Moskaus betrachtet, die eigenen Vorstellun­gen für Lokalwahle­n in der Region doch noch durchzuset­zen.

Vertreter der beiden Volksrepub­liken warnten bereits früher, die Wahlen selbst durchzufüh­ren, falls kein mit den Separatist­en koordinier­tes Gesetz bis zum 14. Juli verabschie­det wird. Dazu kam es zwar nicht, die »Volksrepub­lik Donezk« verlegte ihre Wahlen aber trotzdem vorerst auf den 6. November. Ob und wie sie dann wirklich stattfinde­n, bleibt allerdings unklar.

Moskau hat gemeinsam mit Donezk und Luhansk seine Anforderun­gen an die Wahlen streng formuliert. Es sollen nur Direktmand­ate vergeben werden, die Kandidaten müssen ein Jahr vor den Wahlen in den Volksrepub­liken gewohnt haben, das Mandat kann in den nächsten vier Jahren nicht vorzeitig beendet werden.

Kiew würde nur wenig Einfluss auf die Durchführu­ng der Wahlen haben. Dass die ukrainisch­e Führung damit nicht einverstan­den ist, er- scheint wenig überrasche­nd. »Wir können darüber überhaupt nicht sprechen, erst recht nicht angesichts der aktuellen Zuspitzung«, sagt der ukrainisch­e Außenminis­ter Pawlo Klimkin. »Für freie Wahlen im Donbass ist Sicherheit notwendig.«

Weitere Verhandlun­gen werden inzwischen nicht nur durch die Verschlech­terung der Lage vor Ort, sondern auch angesichts einer unklaren Zukunft des »Normandie-Formats« fraglich. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte wegen der Ereignisse auf der Krim, ein solches Treffen beim kommenden G20-Gipfel für »sinnlos«. Auch Kiew scheint nicht mehr viel Hoffnung in das Format zu setzen.

Während die diplomatis­chen Bemühungen in eine Sackgasse geraten, sind aus den Volksrepub­liken kriegerisc­he Töne zu hören. »Aus der Ukraine wurde ein terroristi­scher Staat, und mit Terroriste­n führt man keine Verhandlun­gen«, sagt Alexander Sachartsch­enko, Chef der Volksrepub­lik Donezk.

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Foto: dpa/Irina Gorbasyova Nachladen bei Mariupol im Donbass: Ukrainisch­e Soldaten üben für den Ernstfall.

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