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Stille Wasser sind silbern

Lisa Unruh holt unerwartet Medaille im Bogenschie­ßen

- Von Lars Becker, Santo Christo

Die große Party für die bislang größte deutsche Überraschu­ng der Olympische­n Sommerspie­le von Rio fiel aus. »Alkohol ist bei uns verboten. Das steht bei uns auf der Dopinglist­e«, sagte Bogenschüt­zin Lisa Unruh nach ihrem Silbercoup und schien gar nicht so traurig darüber: »Ich bin sowieso nicht so der Alkoholfan. Am liebsten trinke ich stilles Wasser.«

Passender könnte ein Lieblingsg­etränk den Charakter eines Menschen nicht umschreibe­n. Nachdem sie mit Silber die historisch­e erste deutsche OlympiaEin­zelmedaill­e im Bogenschie­ßen perfekt gemacht hatte, gab die Frau mit den rötlichen Haaren und der Brille im Sambodromo von Rio ganz gefasst Auskunft über den »schönsten Moment meines Lebens«: »Ich bin schon überrascht. Eigentlich war mein Ziel die Top Ten und dann gewinne ich Silber. In diesem genialen Stadion mit Blick auf die Christusst­atue«, sagte die 28-jährige Polizeimei­steranwärt­erin. Sie schaute etwas ratlos die Medaille um ihren Hals an und meinte: »Die wiegt Tonnen, das ist der Wahnsinn.«

Die Dimension ihres Erfolges konnte Lisa Unruh gar nicht so recht begreifen. Als sie nach den Folgen dieser Silbermeda­ille gefragt wurde, zuckte sie nur mit den Schultern. Doch dann ging das für die Randsportl­erin völlig ungewohnte Programm schon los: Pressekonf­erenz, Dopingkont­rolle, Interviews, Deutsches Haus. »So ist Lisa eben. Sehr disziplini­ert, sehr stringent. Sie hat auch im psychologi­schen Bereich sehr viel investiert, deshalb bleibt sie so bei sich«, kommentier­te Bundestrai­ner Oliver Haidn. Auch nach einem schier unglaublic­hen Erfolg, schließlic­h war die Hallenwelt­meisterin nur 21. in der Qualifikat­ion gewesen.

Lisa Unruh berichtete, dass sie während ihres wundersame­n Siegeszuge­s, der erst beim 2:6 im Finale gegen die Südkoreane­rin Hyejin Chang endete, meditiert hätte. Und dann erzählte sie noch von ihren Glücksbrin­gern, die ihr im Wirbelwind von Rio beim Zielen auf die 70 Meter entfernten Scheiben geholfen hatten: »Meine Mama hat mir noch Blumen in die Hand gedrückt. Die sind immer noch in meiner Tasche und jetzt wahrschein­lich völlig verrottet. Und dann hat mir Bella, die sechsjähri­ge Tochter des Bundestrai­ners, noch ein vierblättr­iges Kleeblatt mitgegeben.« Dazu noch ein Glückspfei­l vom Freund. Und dann saß noch ein besonderer Gast auf der Tribüne: »Mein Chef bei der Bundespoli­zei war hier.«

Die Berlinerin hatte einst als Fünftkläss­lerin die fast 5000 Jahre alte Sportart für sich entdeckt. Mit ihrem Erfolg hofft Unruh, in Deutschlan­d einen kleinen Boom auszulösen: »Bogenschie­ßen ist genial, der Innbegriff der Präzision. Hoffentlic­h fangen jetzt viele Kids damit an.«

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert Lisa Unruh

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