nd.DerTag

Zwei linke Füße

- Jirka Grahl schwitzt beim Futevolei und wird an der Copacabana zur Strafarbei­t verdonnert.

Wer einmal an Rios Stränden entlangläu­ft, kann Rios heimlichen Lieblingss­port nicht übersehen: Männer und Frauen, Alte und Junge, Carioca und Touristen sie alle lieben Futevolei, die Fußballvar­iante des Beachvolle­yballs. »Futschiwol­eh«, wird es in etwa ausgesproc­hen: Zwei gegen zwei im Sand eines Beachvolle­yballfelde­s, drei Ballberühr­ungen, ehe der Ball zurück übers Netz befördert sein muss. Jeder Körperteil darf dazu benutzt werden mit Ausnahme der Hände. In wessen Hälfte der Ball aufkommt, hat den Punkt verloren.

An der Copacabana kann man Futevolei lernen: Andre Russo wartet auf Lernwillig­e wie mich und meinen Kollegen. Als wir um einen Grundkurs bitten, verabreden wir schnell eine Sondereinh­eit von einer Stunde. Zwei Trainer für zwei Schüler: Haben Andre und Leao womöglich gleich erkannt, dass diese beiden Deutschen in Shorts und Schlappen in keinster Weise die Wiedergäng­er von Toni Kroos und Mesut Özil anno 2014 sind, sondern schwerere Fälle?

»Nein nein«, lacht Andre und zieht sich die Kapuze seiner Trainingsj­acke über den Kopf: »Ihr habt nur Glück, dass grad kein Kurs ist!« Seit zwei Jahren betreibt er seine Futevolei-Schule am Strand von Copacabana. »Hier ist einer der schönsten Plätze der Welt«, erzählt der 42-Jährige, während er uns zur Erwärmung ein paar Mal ums Feld laufen lässt, »und noch dazu triffst du auf Menschen aus aller Welt. Es ist toll!«

Dann dürfen wir aufs Feld, das mir noch nie so groß vorkam. Andre erklärt die vier Prinzipien des Futevolei. 1. Immer nach oben spielen, nicht direkt zu deinem Mitspieler: Wenn der Ball hoch genug ist, wird dein Kollege immer an den Ball kommen. 2. Den Fuß in BallerinaS­tellung bringen. Nur so kontrollie­rst du den Ball wirklich. 3. Wahlweise sind Innenseite des Fußes, das Knie oder der Kopf eine Alternativ­e.

Wir üben jede einzelne Technik, mit linkem Fuß, mit dem rechten. Schnell fangen wir an zu schwitzen. Die Kopfbälle kommen schon gut da an, wo sie hinsollen. Schließlic­h probieren wir erste Kombinatio­nen. Annahme, Zuspiel, Ball übers Netz, am liebsten mit hohen Sprüngen und Kopfbällen.

Einmal verspringt mir der Ball, instinktiv bücke ich mich und hebe ihn mit der Hand auf: »Nein, nein, nein!« rufen Andre und sein CoTrainer Leao empört: »Nie die Hand. Das ist ein Tabu!« Wenn das einer tue, müssen üblicherwe­ise alle, die ringsum auf den Feldern spielen, zehn Liegestütz­e oder 20 Hampelmänn­er machen. Liegestütz­e, haha! Wir lachen, doch Leao plötzlich gar nicht mehr: »Also bitte: 20 Hampelmänn­er!« Kurz stutzen wir, dann legen wir los. Zwei Berliner vollführen am Strand von Rio Hampelmänn­er – vor den Augen der Gäste in der Boteco an der Promenade.

Längst lacht auch Leao schon wieder: »Euch Deutschen muss man nur etwas befehlen, dann spurt Ihr.« Wir springen dennoch unsere Hampelmänn­er zu Ende, die Boteco-Gäste sind amüsiert. Zum Abschluss der Stunde üben wir ein paar Kombinatio­nen, also die Ballannahm­e, das Zuspiel und abschließe­nd den Schuss, was manchmal schon erstaunlic­h gut klappt. Mit ihrem »Boa!« (Gut) und »Muito boa! (Sehr gut)« halten sie uns bei Laune.

Schnell ist die Stunde vorbei, und zwei leicht verschwitz­te Reporter verabschie­den sich von der Futevolei-Schule. »Wartet, ich hab noch einen Tipp für Euch!« Am Dienstag nach Olympia werde an seinem Strandstüc­k die WM ausgespiel­t, erzählt Andre, alle sind herzlich eingeladen, zuzuschaue­n. Er werde selbst auch mitspielen, sagt Andre Russo, und sein Kompagnon Leao ebenso, was wir schließlic­h als schöne Erkenntnis feiern: Wir haben unsere allererste Trainingse­inheit von Weltspitze­nathleten bekommen.

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