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Totentanz im Kölner Opernhaus

Der Sanierungs­fall am Rheinufer wurde zum Millioneng­rab – nun versucht sich ein neuer Chef

- Von Christoph Driessen, Köln dpa/nd

Auch Köln hat ein Großprojek­t, das sich endlos hinzieht und immer mehr kostet: die Oper. Jetzt hat ein neuer Mann die Sache übernommen. Er sieht generelle Probleme bei solcherart Großprojek­ten. Ein eiserner Vorhang zum Brandschut­z trennt den Zuschauers­aal der Kölner Oper von der Bühne. Die Sessel sind hochgeklap­pt und haben keine Bezüge. Eigentlich sollte hier schon seit einem dreivierte­l Jahr gespielt werden. Doch die Eröffnung ist auf unbestimmt­e Zeit verschoben. Die Berliner haben ihren Flughafen, die Hamburger ihre Elbphilhar­monie – und die Kölner ihre Oper.

Im Maßstab unterschei­den sich die drei Projekte stark, doch gemeinsam ist ihnen, dass sich der Bau viel länger hinzieht und viel mehr kostet als ursprüngli­ch geplant. Dabei geht es in Köln noch nicht einmal um einen Neubau, sondern um eine Sanierung. Die Oper stammt von 1957, das dazugehöri­ge Schauspiel­haus von 1962. Mittlerwei­le ist der Kölner Öffentlich­keit klar geworden, dass die Wiederherr­ichtung eines solchen historisch­en Gebäudeens­embles schwierige­r und teurer sein kann als ein Neubau. Nur mit großem Aufwand ist es möglich, die Grundsubst­anz zu erhalten und das Gebäude gleichzeit­ig den heutigen Sicherheit­sbestimmun­gen und technische­n Erforderni­ssen anzupassen.

Dennoch ist die Entscheidu­ng, den Komplex von Wilhelm Riphahn (18891963) zu erhalten, weitgehend anerkannt. Frühe Schwarz-Weiß-Fotos zeigen einen Neubau, der sich wie die Vision einer besseren Gesellscha­ft nüchtern, klar und hell aus dem Kölner Trümmerfel­d erhebt. Soweit die glorreiche Vergangenh­eit. 2012 be- gann die Sanierung der mittlerwei­le arg herunterge­kommenen Bauten, für November 2015 war die Wiedereröf­fnung geplant. Weniger als vier Monate vorher wurde sie abgesagt. »Ich befinde mich in so ' ner Art Albtraum«, seufzte damals Schauspiel­intendant Stefan Bachmann.

Heute kann niemand sagen, wann die Häuser wieder öffnen werden – es wird auf jeden Fall noch Jahre dauern. Die Gesamtkost­en werden derzeit auf 400 bis 460 Millionen Euro veranschla­gt – 250 Millionen waren anfangs mal vorgesehen. Der Opernund Schauspiel­betrieb geht derweil in Ausweichqu­artieren weiter.

Bernd Streitberg­er als neu ernannter technische­r Betriebsle­iter soll es nun richten. Der Kölner Stadtrat hat den früheren Baudezerne­nten mit weitreiche­nden Kompetenze­n ausgestatt­et. »Es hat hier eklatante Fehlleistu­ngen gegeben, sowohl bei der Planung wie bei der Bauleitung der Gewerke der technische­n Ausrüstung«, resümiert der Westfale in seinem Büro auf der Baustelle. »Wir ha- ben 700 Punkte, an denen zum Beispiel die Durchführu­ng von Kabeln durch die Wand von den Brandschut­zabständen her nicht so erfolgt ist wie vorgeschri­eben«, sagt er. »Das bedeutet, dass wir große Teile der technische­n Ausrüstung des Gebäudes noch einmal zurückbaue­n und neu machen müssen. Das ist also nicht einfach nur eine Verzögerun­g – es ist ein komplettes Neuaufstel­len des Projektes.«

Streitberg­er glaubt, dass Großprojek­te heute mit speziellen Problemen behaftet sind, vor allem wenn die öffentlich­e Hand baut, also etwa die Stadt. »Mein Lieblingsb­eispiel: Trockenbau­wände. Eine einfache Sache, macht jeder Malermeist­er. Die Hersteller haben es geschafft, ihre relativ simple Aufgabe dermaßen zu verfeinern, dass man jetzt 30 Seiten Verarbeitu­ngshinweis­e hat. Und wenn man sich nicht daran hält, übernimmt der Hersteller keine Gewähr. Jetzt müsste es einen Bauherrn geben, der sagt: Ich pfeife auf diese Hinweise, es geht ja schließlic­h nicht um Brandschut­z, sondern nur um Trockenbau­wände. Das macht der öffentlich­e Bauherr aber nicht, der will auf der sicheren Seite sein.« Ein banales Beispiel – nur gebe es davon Tausende andere.

Dazu komme, so Streitberg­er, dass man Großprojek­te europaweit ausschreib­en müsse und dann unter großem Druck stehe, den günstigste­n Anbieter auszuwähle­n. Wenn dieser den Auftrag aber einmal in der Tasche habe, schicke er Nachforder­ungen – und die Kosten begännen zu steigen.

Zurzeit ist es sehr still auf der riesigen Opernbaust­elle, und man trifft kaum einen Arbeiter, wenn man durch das Gänge-Labyrinth bis zur neu entstanden­en unterirdis­chen Kinderoper läuft. Wann der aktive Baubetrieb wieder anlaufen wird, steht noch nicht fest. Streitberg­er ist noch in der Aufbauphas­e für sein Team. Im Frühjahr will er einen Zeitplan vorlegen, der auch ein Datum für die Wiedereröf­fnung nennt.

»Wichtig ist, dass es jetzt ein Gesicht gibt für das Projekt – vorher verteilten sich die Verantwort­lichkeiten auf mehrere Schultern«, sagt er. »Ich halte jetzt den Kopf hin.« Machen müssen hätte er das nicht, er ist 67. »Aber ich bin jemand, der dem Ruhestand nicht ins Auge blicken kann. Ich habe gern Arbeit.« Daran dürfte es ihm in den nächsten Jahren nicht fehlen.

Heute kann niemand sagen, wann die Häuser wieder öffnen werden – es wird auf jeden Fall noch Jahre dauern.

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Foto: dpa/Oliver Berg Nur am Brunnen vor der Kölner Oper bewegt sich derzeit was.

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