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Trampeltie­re in Weiß-Blau

Im »Internatio­nalem Jahr der Kamele« sind auch in Bayern Wüstenschi­ffe unterwegs – im Mangfallta­l zum Beispiel

- Von Rudolf Stumberger

Wie sieht der Kamelhimme­l aus? »Sich auf keinen Fall bewegen«, sagt Tierpflege­r Raffael im bayerische­n Grub. Dort leben 26 Kamele auf dem Hof von Konstantin Klages, der allerdings Touren mit ihnen anbietet. Die Vereinten Nationen haben 2016 zum Internatio­nalen Jahr der Kamele ausgerufen – und das gilt auch für Bayern. Wer aber glaubt, im Freistaat gäbe es Kamele nur in der Politik, der irrt. Das ist zum Beispiel diese Wiese in der Ortschaft Grub, zwischen München und Rosenheim gelegen. Hier grasen Attila, Kalif, Sara, Tamara und wie sie alle heißen. Jetzt trabt gerade Luna heran und blickt den Besucher interessie­rt mit ihren großen Augen an.

»Kamele sind nie schlecht drauf«, sagt Konstantin Klages, »sondern sehr gelassen, freundlich und ausgeglich­en.« Der 30-Jährige lebt seit 27 Jahren mit Kamelen, damals brachte sein Vater nach einem Zirkusbesu­ch drei der Tiere mit nach Hause auf den Hof. Und seit ein paar Jahren ist das Kamelreite­n durch das Mangfallta­l zu einem viel besuchten Event vom kleinen Klages-Unternehme­n »Bayern Kamele« geworden, auch Familienfe­iern oder Geschäftse­ssen in Beduinenze­lten hat Klages im Angebot.

Mit dabei im Team sind auch Ehefrau Bianca und Tierpflege­r Raffael. Der Tiroler – er ist ein erfahrener Kameltreib­er und Reptiliene­xperte – ist gerade dabei, eines der Trampeltie­re zu satteln. Sitzt man kurz darauf im Sattel, weiß man, warum Kamele auch Wüstenschi­ffe genannt werden. Das Tier bewegt sich im sogenannte­n Passgang vorwärts. Das heißt, die linken und rechten Beine bewegen sich abwechseln­d. Die Folge ist ein stetes Schwanken des Reiters, was aber verträglic­h ist. Problemati­scher ist der Start. Und die »Landung«, denn dabei neigt sich das Kamel tief nach unten, wenn es die Vorderbein­e einklappt.

Konstantin Klages kennt sich aus mit Kamelen – und das muss er auch, denn ohne »Sachkunden­achweis«, wie das im Amtsdeutsc­h heißt, darf er mit den Tieren nicht gewerblich arbeiten.

Die Wüstenschi­ffe unterschei­den sich in jene mit einem und jene mit zwei Höckern. Ersteres sind die Dromedare und die anderen heißen Trampeltie­re, Kamele ist der Oberbegrif­f.

»Manche Tiere«, erzählt Klages, »bringen uns die Tierschutz­behörden und wir päppeln sie wieder auf.« Die meisten der 26 Kamele auf dem Hof sind aber mittlerwei­le hier geboren, 14 Monate dauert eine Kameltrage­zeit. Will man die Tiere kaufen, dann geschieht das meist von Zirkussen. Die Preise beginnen bei 2000 Euro, für eine weiße Stute mit stehendem Höcker können aber auch schon mal 6000 Euro verlangt werden.

Apropos Höcker. »Nein«, sagt Kamelexper­te Klages, »da ist nicht Wasser drin, sondern Fett«. Und »ja, es stimmt, die Tiere können lange ohne Wasser auskommen«. Bis zu zweieinhal­b Wochen, dann haben sie vorher an die 80 Liter Wasser gesoffen. Kamele sind überhaupt sehr interessan­te Tiere: So können sie ihre Körpertemp­eratur der Umgebung anpassen und bis zu neun Grad verändern; in der Nacht beträgt sie dann 34 Grad Celsius und am Tage 42 Grad. Als Lastentier schleppen sie bis zu vierhunder­t Kilo, fressen aber auch 20 bis 30 Kilo Heu am Tag.

Wie sieht der Kamelhimme­l aus? »Sich auf keinen Fall bewegen«, sagt Tierpflege­r Raffael. Obwohl bei Kamelrenne­n sichtbar wird, wie schnell die Tiere sein können, ziehen sie ansonsten die Ruhesituat­ion vor. Und auch heute liegen Dromedare und Trampeltie­re faul auf der grünen Wiese und pflegen untereinan­der die Sozialkont­akte.

Außenstehe­nde können angesichts der Kamelwiese schon mal einen falschen Eindruck bekommen. So erzählt Klages von Anzeigen wegen Tierquäler­ei, weil die Tiere im Winter im Freien unterwegs waren. Dabei stammen Kamele aus Regionen wie Kasachstan, in denen es auch sehr kalt werden kann. »Der Schnee macht ihnen nichts aus«, sagt Klages.

Und dann tauchen die ersten Reiter des Tages auf: Großeltern mit ihren beiden Enkelinnen. Diesmal packt Bianca Klages die Sättel – und angeleint und hintereina­nder wie bei einer Karawane geht es mit den bayerische­n Kamelen hinab in das Mangfallta­l.

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Foto: Rudolf Stumberger Auch seltene weiße Kamele gibt es im Mangfallta­l.

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