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Eine neue Rebellion?

An den Universitä­ten der Republik Südafrika gärt es schon seit einigen Jahren. Das Thema Studiengeb­ühren ist nicht der einzige Grund dafür. Von Ulrich van der Heyden

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Ein tiefes Grummeln geht zur Zeit durch die Universitä­ten Südafrikas. Begonnen haben die neuen Proteste über 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid bereits im vergangene­n Jahr an der Universitä­t Kapstadt. Das Denkmal für Cecil Rhodes (18521902) dort in der Nähe wurde zunächst mit Fäkalien beschmiert, dann umgestürzt. Begründet wurde dies mit der nach Ansicht der studentisc­hen Aktivisten bis heute andauernde­n »europäisch­en Beeinfluss­ung des Studiums«.

Rhodes war in ihren Augen dafür ein passendes Beispiel, schließlic­h war der britische Unternehme­r einer der besonders aggressive­n Vertreter eines europäisch­en Imperialis­mus’ gegenüber Afrika. Gleichzeit­ig wurden Forderunge­n laut, in den letzten der noch teilweise in Afrikaans lehrenden Universitä­ten, wie der in Stellenbos­ch, die Sprache der einstigen weißen Kolonialis­ten als Unterricht­ssprache abzuschaff­en, obwohl Afrikaans zu den elf offizielle­n Landesspra­chen Südafrikas gehört. An der Universitä­t Pretoria hat man kürzlich den Protestier­enden nachgegebe­n und Englisch als alleinige Unterricht­ssprache eingeführt.

Befeuert wurden solche Aktionen wie die gegen das Denkmal von Ce- cil Rhodes durch die Äußerung des aktuellen Präsidente­n Südafrikas, Jacob Zuma, der meinte, dass das Unglück des Landes mit der Ankunft der Europäer und deren ersten Ansiedlung­en im Jahre 1652 begonnen habe. Eine zu einfache Sichtweise, wie Kritiker Zumas einwenden. Der Frust wegen des Verrates an den Idealen des Kampfes gegen die Apartheid, der von den Protestier­enden immer wieder zur Legitimati­on genannt wird, sollte sich eher gegen die politische Führung richten als gegen die Universitä­ten, heißt es. Zudem habe der ANC in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n fast das ganze Führungspe­rsonal an den Hochschule­n ausgetausc­ht, sei also selbst nicht ganz unschuldig daran, dass auch zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid viele Schwarze im Hochschuls­ystem unterprivi­legiert sind.

Unbegründe­t ist diese Kritik nicht. Seit der Übernahme der Macht durch den ANC im Jahre 1994 hat sich für viele Schwarze die soziale Lage kaum verbessert. Zudem ist der ANC immer wieder wegen Korruption­sskandalen, Vorwürfen des Machtmissb­rauchs und der nach wie vor hohen Kriminalit­ätsrate in die Kritik geraten. Das schlechte Klima hat in den vergangene­n Jahren viele Aka- demiker – die meisten davon Weiße – ins Ausland getrieben, was für die Universitä­ten nicht nur ein Statusverl­ust bedeutet, sondern auch das Hoch- und Fachschuln­iveau sichtlich gesenkt hat.

In dieser angespannt­en Situation erhöhte die Regierung im letzten Jahr die Studiengeb­ühren. Das war der letzte Anlass für ein gewaltsame­s Aufbegehre­n der Studenten- schaft. Die Wut auf die Regierung und die »weiße Vorherrsch­aft« führten zu Verbrennun­gen von Büchern und Insignien der »europäisch­en Bildung«. So wurden an der Universitä­t Kapstadt teils recht wertvolle alte Gemälde zerstört. An anderen Universitä­ten, aber auch an vielen Schulen, wurden Bibliothek­en vernichtet sowie Büros in Brand gesteckt.

Kaum hatte die Regierung den Beschluss zur Erhöhung der Studien- gebühren zumindest für ein Jahr zurückgeno­mmen, fingen die Angestellt­en von Firmen, die für die Universitä­ten arbeiteten, an zu streiken. Im Ausstand befand sich vor allem das Küchen- und Bedienpers­onal in den Mensen und Gaststätte­n, die Security-Kräfte sowie das Reinigungs­personal. In den wenigsten Fällen forderten sie mehr Lohn, sondern vielmehr die Überführun­g ihrer Arbeitsver­träge mit den Branchenfi­rmen in solche mit den Universitä­ten. Eine Anstellung an einer Uni in Südafrika war schon immer eine Art Sechser im Lotto: Schon in der Zeit der Apartheid hatten viele Hochschule­n ihr Personal dadurch an sich gebunden, dass sie dessen Kindern ein unentgeltl­iches Studium ermöglicht­en. Diese Regelung konnte und kann von dem Professor wie von der Sekretärin in Anspruch genommen werden. Erfolgreic­h waren die »outgesourc­ten« Uni-Angestellt­en allerdings nicht. So verlor die Gewerkscha­ft des Sicherheit­spersonals unlängst vor Gericht gegen die größte Fernuniver­sität der Welt, der University of South Africa (Unisa).

Während im ersten Quartal 2016 einige der studentisc­hen Proteste und die der Angestellt­en landesweit zurückging­en, flammten sie im Frühsommer an einigen Universitä- ten wieder auf. Die Studierend­en erheben zum Teil bekannte Forderunge­n, zum Teil formuliert­en sie neue Ideen. So wird die Abschaffun­g von Prüfungen verlangt sowie der Hochschulb­erechtigun­g, wie man sie in Deutschlan­d mit dem Abitur erlangt.

Solche Forderunge­n wurden im Frühjahr an der Rhodes University in Grahamstow­n erstmals erhoben. Wenngleich sich der Uni-Präsident mit erhobenen Armen zwischen die Protestier­enden und die Polizei stellte, wurden Schüsse abgegeben, Tränengas versprüht und flogen Steine. Aus Sicherheit­sgründen blieben häufig tagelang an der Universitä­t die Bibliothek­en, die Administra­tion und die Büros der Lehrenden geschlosse­n.

Wie die Proteste weitergehe­n werden, ist derzeit ungewiss – und welche Auswirkung­en sie haben werden, auch. In einigen Wissenscha­ftsdiszipl­inen konnten in den zurücklieg­enden 20 Jahren internatio­nale Kooperatio­nsbeziehun­gen aufgebaut werden, so auch mit deutschen Hochschule­inrichtung­en. Es ist zu befürchten, dass viele der jungen Menschen aus Europa und anderen Teilen der Welt, die es in der Vergangenh­eit in den Süden Afrikas gezogen hat, in Zukunft dem Lande am Kap fernbleibe­n.

Präsident Jacob Zuma meint, dass das Unglück Südafrikas mit der Ankunft der ersten Europäer 1652 begann.

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Foto: AFP/Mujahid Safodien Protest gegen Studiengeb­ühren in Pretoria im Oktober 2015

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