Werner Bräunig
Der Arbeiter-Schriftsteller schrieb einen Gesellschaftsroman, der 1965 in der DDR – als Vorabdruck – wie eine Bombe einschlug und sofort verboten wurde. Noch Jahre nach der Wende wurde er von verschiedenen Verlagen rigoros abgelehnt und erst 2007 vom AufbauVerlag unter dem Titel »Rummelplatz« veröffentlicht. Das Buch gedieh schlagartig zum Bestseller in Ost und West. Obwohl es inzwischen seinen festen Platz in der deutschen Literaturgeschichte gefunden hat, droht dessen früh verstorbenem Autor zum 40. Todestag das Vergessen.
Werner Bräunig wurde am 12. Mai 1934 in Chemnitz als Sohn eines Hilfsarbeiters geboren. Nach dem Krieg kam der Schlosserlehrling wegen Schwarzmarktgeschäften in ein Erziehungsheim und als Wiederholungstäter in Haft; anschließend musste er sich »in der Produktion bewähren«. Er arbeitete als Heizer, Papiermacher, Schweißer sowie Bergmann und avancierte schließlich zu einem schreibenden Arbeiter und Volkskorrespondenten der »Volksstimme«. Nun ging es Schlag auf Schlag: Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft junger Autoren der Wismut AG, Eintritt in die SED und Studium am Literaturinstitut »Johannes R. Becher« in Leipzig. Zwischendurch verfasste er 1959 mit Jan Koplowitz zur 1. Bitterfelder Konferenz den Aufruf »Greif zur Feder, Kumpel!« .Vom Leipziger Literaturinstitut als Assistent für das Fernstudium sowie Leiter eines Proseminars angestellt, begann er nach erfolgreichen kleineren Veröffentlichungen, in denen er den gesellschaftlichen Fortschritt der jungen Republik reflektierte, mit der Arbeit an einem großen Romanprojekt, dessen Arbeitstitel »Der eiserne Vorhang« gelautet hatte und eigentlich als Mehrteiler angedacht war; der zweite Teil sollte die Gegebenheiten in der Bundesrepublik erschließen.
Das Buch beginnt mit der DDR-Gründung, blendet Ereignisse der Nazi- und unmittelbaren Nachkriegsjahre ein und schildert neben dem WismutMilieu auch Ost-West-Befindlichkeiten im Kalten Krieg. Der Autor verwebt mehrere konfliktgeladene Lebensläufe. Bräunig beschreibt aus der Position eines überzeugten DDR-Bürgers Irrwege des schweren Anfangs, die er mit den besonderen Bedingungen entschuldigt. Doch die Systemmängel, die er offenbart, waren nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart. Was ihm im Osten Verbot und im Westen den Ruf eines Dissidenten eintrug, der er nicht war und nicht sein wollte. Umsonst versuchte Christa Wolf den Roman bei den Oberen zu verteidigen. Bräunig verstand die Welt nicht mehr, zerbrach an der Missachtung und starb mit 42 Jahren am 14. August 1976. Den Nachlass des Schriftstellers samt dem Roman übernahm der Rat des Stadt Halle. Dort lieh sich ein Lektor des Mitteldeutschen Verlages das Manuskript aus und vergaß die Rückgabe. Es blieb verschwunden und tauchte erst bei einer Ausstellung über die DDRZensur überraschend wieder auf.