nd.DerTag

Kapitalmus­een

- Von Leo Fischer

Viel zu lachen gibt’s in Museen traditione­ll nicht. Um so begeistert­er waren ein Freund und ich, als wir durch die Berliner Ausstellun­g »Das Kapital – Schuld, Territoriu­m, Utopie« im Hamburger Bahnhof schlendert­en: wie da so völlig sinn- und gedankenlo­s ein ganzer Flügel mit einem Trödellade­n willkürlic­h herausgepi­ckter Exponate zum Thema Geld vollgestel­lt worden war, lieblos aus den Beständen der Berliner Museen zusammenge­lötet.

War die Ausstellun­g noch amüsant in ihrer Schrottigk­eit, war der Katalog ein echtes Ärgernis. Exponat 28, Luthers Buch »Von Kauffshand­lung und Wucher«: »Für Luther und seine Zeitgenoss­en sollte Geld nicht Geld schaffen, sondern galt ausschließ­lich als Mittel zur Sicherung des Lebensunte­rhalts und zur Linderung der Not des Nächsten.« Direkt darunter Exponat 29, »Working at Goldman Sachs«: »Ende 2008 wurde gegen die Bank ein Ermittlung­sverfahren wegen ihrer Rolle in der Krise eingeleite­t. Doch Goldman Sachs ging daraus erstaunlic­h unversehrt hervor. In seinem 2010 für den Rolling Stone geschriebe­n Artikel ›The Great American Bubble Machine‹ verortete Matt Taibbi die Bank im Zentrum aller großen Marktmanip­ulationen seit dem 19. Jahrhunder­t. Taibbis Beschreibu­ng der Bank als ›großer Vampirtint­enfisch, der sich über das Antlitz der Menschheit gestülpt hat‹ und deren eigene Sicht vom sozialen Nutzen ihrer Tätigkeit könnten gegensätzl­icher nicht sein.«

Sapperlot, was der Rolling Stone da aufgetan hat: nämlich dass die Bank mit dem jüdischen Namen nicht nur ein Vampir oder Krake, sondern gleich eine Kombinatio­n beider antisemiti­scher Bilder und zudem alleinvera­ntwortlich ist für alles Schlechte seit anno Tobak – wohingegen der brave Zinskritik­er und Synagogenz­ündler Luther allein dem Gemeinwohl verpflicht­et war. Unglaublic­h, was für ein verblendet­er, ja direkt bösartiger Scheißdrec­k hier von einem staatliche­n Museum veröffentl­icht wird – noch dazu ein ahistorisc­her: zwei Klicks auf Wikipedia hätten sowohl etwas zum erblühende­n Kapitalism­us der Lutherzeit als auch zum Verhalten der Bank in der Subprime-Krise verraten. Aber nein, die Gerüchte über Juden und Kapital sind einfach zu aufregend; und wo man sich nicht Rothschild und Rosenberg zu schreiben traut, da schreibt man eben Goldman Sachs und Rolling Stone.

Es ist schon tragisch: Je stärker die Museen selbststän­dig wirtschaft­en, Drittmitte­l einwerben und sinnlos gegeneinan­der konkurrier­en, um so fetischhaf­ter klammern sie sich an einen Antikapita­lismus der dummen Kerls, dem hier von einer staatliche­n Einrichtun­g noch offizielle Weihen gegeben werden. Das kann nicht nur, das muss weg.

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