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Veränderun­gen brauchen Zeit

- Jürgen Amendt über den Umbau des Bildungssy­stems in Südafrika

Grundlegen­de Veränderun­gen vollziehen sich nicht in kurzer Zeit, es braucht manchmal Jahrzehnte, ja Jahrhunder­te, bis eine Epoche zu Ende geht und bis eine Gesellscha­ft sich so gewandelt hat, dass sie von den Ahnen nicht mehr erkannt werden würde. Tiefgreife­nde Umwälzunge­n sind zudem nie nur politische­r, sondern vor allem kulturelle­r Natur. Weshalb auch die Zeit, die als 68er-Revolte in die Geschichte einging, so erfolgreic­h war: Sie hat in den privaten Entscheidu­ngen und Lebensweis­en nachdrückl­ich ihre Spuren hinterlass­en und zu einem Bildungsau­fbruch geführt, der nicht nur formal die Eliten ausgetausc­ht hat. Welche Revolution des 20. Jahrhunder­ts kann das sonst von sich behaupten?

Die Apartheid in Südafrika ist erst seit 20 Jahren Geschichte. Und es scheint aus der Entfernung so zu sein, dass die Revolution sprichwört­lich ihre Kinder frisst. Die Nachfahren der einst Unterdrück­ten stehen heute selbst am Pranger. Zudem sind die Schranken, die bis zu Beginn der 1990er Jahre durch die sogenannte Rassentren­nung politisch aufgestell­t wurden, heute mehr denn je sozialer Art: Wer es sich leisten kann – und das ist vornehmlic­h die weiße Oberschich­t – schickt seine Kinder auf die teuren, aber guten Privatschu­len und -universitä­ten.

Dennoch ist auch eine schwarze Mittelschi­cht entstanden, die Rechte einfordern kann, und dies ganz einfach deshalb, weil sie gebildeter ist als noch vor 30 oder 40 Jahren. Das ist der Keim, aus dem Veränderun­g erwächst.

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