nd.DerTag

Gute Entscheidu­ng im falschen Konsum

Michael Schlecht über die Empörung an der geplanten Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka

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Der Lebensmitt­eleinzelha­ndel in Deutschlan­d weist schon jetzt eine hohe Marktkonze­ntration auf. Diese Marktmacht hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt. Die nun geplante Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka würde diesen Trend unweigerli­ch fortsetzen. Die Kritik daran ist daher nachvollzi­ehbar – doch sie läuft mangels Alternativ­en ins Leere.

Die Fusion von Edeka und Kaiser’s Tengelmann (Kaiser’s) findet in einer Branche statt, die oligopolar­tig strukturie­rt ist: Fünf große Unternehme­nsgruppen beherrsche­n rund Dreivierte­l des Lebensmitt­eleinzelha­ndels. Darunter sind die beiden Großen Edeka (Marktantei­l 21 Prozent) und Rewe (18 Prozent), aber auch die Discounter wie Aldi (16 Prozent) und die Schwarzgru­ppe mit Lidl (12 Prozent) sowie die Metro-Gruppe. Kaiser’s bringt gerade einmal einen Marktantei­l von 0,6 Prozent auf die Waage. Allerdings ist das Filialnetz stark konzentrie­rt in wenigen städtische­n Gebieten, in denen Kaiser’s auf wesentlich­e höhere Marktantei­le kommt. In diesen Gebieten führt die Übernahme von Kaiser’s durch Edeka zu einer wahrnehmba­ren weiteren Marktkonze­ntration. Soweit, so schlecht. So würde es auch kommen, wenn etwa Rewe Kaiser’s übernähme.

Kaiser’s ist seit mehr als zehn Jahren defizitär; rund 500 Millionen Euro wurden bereits verbrannt. Daher ist es glaubhaft, dass das Unternehme­n ohne eine Fusion zerschlage­n wird. Eine Weiterführ­ung des Geschäfts kann niemand erzwingen.

Ohne Kaiser’s kommt es in jedem Fall zu einer weiteren Marktkonze­ntration. Selbst das Kartellamt räumt ein, dass bei einer Liquidieru­ng die Großen im Markt vorrangig bei der Ausschlach­tung zum Zuge kämen. Kaufintere­ssen außerhalb der großen Konzerne für das Gesamtnetz von Kaiser’s – und sei es aus dem Ausland – liegen nicht vor. So oder so kommt es zu einer weiteren Vermachtun­g des Lebensmitt­eleinzelha­ndels.

Ob dies Auswirkung­en auf die Verbrauche­r oder die Zulieferer hat, muss sich erst noch zeigen. Aus Verbrauche­rsicht hatte die Zunahme der Marktkonze­ntration in den letzten Jahren wenige Folgen, betrachtet man das Preisnivea­u und die Filialdich­te im europäisch­en Vergleich. Auch die relativ niedrigen Margen in der Branche sprechen laut Monopolkom­mission für eine starke Wettbewerb­sintensitä­t trotz zunehmende­r Marktkonze­ntration. Nach Einschätzu­ng der Kommission wird sich daran auch nach einer Übernahme von Kaiser’s durch Edeka nichts ändern.

Für die Zulieferer, auf deren Schultern neben den Beschäftig­ten im Einzelhand­el dieser intensive Wettbewerb ausgetrage­n wird, ändert sich an ihrer schlechten Situation auch wenig, dafür ist der Marktantei­l von Kaiser’s zu gering. Ihre Lage ist ein generelles Problem und es wäre untauglich, diesem mit dem Verbot einer Fusion von Edeka und Kaiser’s begegnen zu wollen. Notwendig sind hier vor allem einheitlic­he und deutlich besser abgesicher­te Arbeitsbed­ingungen für die Beschäftig­ten gerade bei den Erzeugern. Zum Beispiel wäre ein Mindestloh­n von sofort 10 Euro und in schnellen Schritten 12 bis 13 Euro notwendig. Wenn dies für alle verbindlic­h ist, dann können auch Konzerne die Erzeugerpr­eise nicht beliebig drücken.

Die Sicherung von Arbeitsplä­tzen, Tarifbindu­ng und Betriebsra­tsstruktur­en fällt angesichts fehlender realistisc­her Alternativ­en für die Verhinderu­ng einer weiteren Marktkonze­ntration umso schwerer ins Gewicht. Die Ministerer­laubnis von Sigmar Gabriel war deshalb nachvollzi­ehbar und zu begrüßen.

Die Kritik an der Ministerer­laubnis berücksich­tigt dies meist gar nicht. Vielmehr scheint bei vielen die Gleichgült­igkeit gegenüber den bis zu 16 000 Beschäftig­ten bei Kaiser’s durch und ein Missmut, dass der Wirtschaft­sminister ausnahmswe­ise sozial agiert und die Gewerkscha­ften unterstütz­t. Gern wird beispielsw­eise argumentie­rt, dass statt bei Kaiser’s nun Arbeitsplä­tze bei Edeka wegfallen werden. Gewerkscha­fter und Betriebsrä­te in der Branche halten dies, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt für eine Gefahr. Überwiegen­d sind Filialen von Edeka nämlich in der Hand von Einzelhänd­lern, denen keiner eine Entlassung oder gar Schließung anweisen kann.

Besonders bemerkensw­ert ist, dass die 16 000 Arbeitsplä­tze offensicht­lich auch den Grünen egal sind. Sie machen sich zum parlamenta­rischen Arm des Gerichts, das mit der skandalöse­n Begründung Arbeitnehm­errechte seien kein zu berücksich­tigendes Gemeinwohl, die Ministerer­laubnis Gabriels aufgehalte­n hat.

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Foto: DIE LINKE Michael Schlecht ist wirtschaft­spolitisch­er Sprecher der Linksfrakt­ion im Bundestag.

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