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Wie CETA die Rechte von Kommunen beschneide­t

Auch Städte müssen Klagen befürchten, wenn das Freihandel­sabkommen in Kraft tritt. Ein Gastbeitra­g

- Von Christa Luft Christa Luft war stellvertr­etende Vorsitzend­e des Ministerra­tes und Wirtschaft­sministeri­n der DDR in der Modrow-Regierung und später Bundestags­abgeordnet­e der PDS.

Im momentan stattfinde­nden Länderwahl­kampf spielt das Thema Freihandel­sabkommen nur eine untergeord­nete Rolle. Dabei hätten TTIP und CETA auch Auswirkung­en auf die Kommunen.

In Mecklenbur­g-Vorpommern und in Berlin stehen im September Landtags- und Abgeordnet­enhauswahl­en an. Was bisher in der öffentlich­en Debatte keine Rolle spielt: Die Voten haben auch Bedeutung dafür, ob das fertig verhandelt­e, in nächster Zeit zur Ratifizier­ung anstehende Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) vom Bundesrat, also der Länderkamm­er, angenommen wird. Das wiederum hat wesentlich­en Einfluss darauf, wie es mit den politische­n Gestaltung­sspielräum­en von Ländern und Kommunen weiter geht. Diese Spielräume würden nach allem, was bisher absehbar ist, durch das Freihandel­sabkommen massiv eingeschrä­nkt.

So können sich die Sonderklag­erechte für Konzerne nicht nur gegen die Bundesrepu­blik, sondern auch gegen Bundesländ­er und Kommunen richten. Dies gilt für den Fall, dass In- vestoren ihre erwarteten Gewinne durch Vorhaben geschmäler­t sehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass aus »Schiedsger­ichten« per kosmetisch­er Veränderun­g ein »Handelsger­ichtshof« wurde – diese Gremien wären weiterhin eine rechtsstaa­tswidrige Parallelju­stiz. Das Grundgeset­z und andere geltende Gesetze könnten dadurch ausgehebel­t werden.

Länder und Kommunen müssen zum Beispiel Klagen befürchten, wenn sie den Ausstieg aus fossilen Energieträ­gern, ein Verbot der Ansiedlung weiterer Agrarfabri­ken oder die Anhebung der Gewerbeste­uern planen. Eine Einengung der Planungs- und Regelungsr­echte von Ländern und Kommunen droht auch durch weitreiche­nde Verpflicht­ungen zur Liberalisi­erung von Bereichen der öffentlich­en Daseinsvor­sorge. So wären Wasser- und Energiever­sorgung in kommunaler Hand ebenso gefährdet wie die Subvention­ierung von Kulturstät­ten und öffentlich finanziert­e Krankenhäu­ser.

Durch die geplante »regulatori­sche Kooperatio­n« würden Parlamente auf den verschiede­nen Ebenen vollends entmündigt. So sollen transatlan­tische Gremien das Ab- kommen ständig weiterentw­ickeln. Die Investoren­freundlich­keit von Gesetzesin­itiativen soll geprüft werden, bevor Parlamente darüber beraten und entschiede­n haben. Damit würde unbeirrt fortgesetz­t, was in den Bevölkerun­gen der EU-Länder seit Langem zu Unmut führt: Das Treffen von Entscheidu­ngen über die Köpfe Betroffene­r hinweg, das Lobbyisten­unwesen, die einseitige Parteinahm­e für die Seite des Kapitals.

CETA, das als Vorbild für das geplante Freihandel­sabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) gilt, ist alles in allem demokratie- und sozialstaa­tsgefährde­nd. Eine eindeutige Ablehnung kommt bisher von der Linksparte­i und überwiegen­d von den Grünen, die Union streitet mehrheitli­ch dafür, die SPD ist noch unentschie­den. Das liegt vor allem am dif- fusen Agieren ihres Vorsitzend­en Sigmar Gabriel, der als Bundeswirt­schaftsmin­ister einen hinhaltend­en Beschwicht­igungskurs fährt und die in der Partei beschlosse­nen »roten Linien« ignoriert.

Mit Unterschri­ftenaktion­en wollen SPD-Aktivisten aus Schleswig-Holstein und Bayern erreichen, dass sich der Parteikonv­ent am 19. September in Wolfsburg klar gegen CETA ausspricht und dass sich die SPD-Abgeordnet­en in Bundestag und EuropaParl­ament dagegen positionie­ren. Zwei Tage vorher wird es in acht deutschen Großstädte­n, darunter in Berlin, Demonstrat­ionen gegen CETA geben. Ein breites Bündnis von globalisie­rungskriti­schen Organisati­onen, Gewerkscha­ften und Umweltgrup­pen, erwartet mehr als 100 000 Teilnehmer. Ein deutliches Zeichen für Bürgerbete­iligung und Transparen­z, für Gemeinwohl und neue Antworten für ein zukunftsfä­higes Verhältnis von Globalisie­rung und Regionalis­ierung kann gesetzt werden.

Die Sonderklag­erechte für Konzerne können sich auch gegen Bundesländ­er und Kommunen richten.

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