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Alleinerzi­ehende unter Druck

Städte- und Gemeindebu­nd kritisiert Pläne der Familienmi­nisterin zum Unterhalts­vorschuss

- Von Haidy Damm Mit Agenturen

In der Debatte um eine Ausweitung des Unterhalts­vorschusse­s hat sich jetzt auch der Städtebund zu Wort gemeldet: Wenn der Bund die Unterstütz­ung länger gewähren wolle, soll er sie auch zahlen. Bundesfami­lienminist­erin Manuela Schwesig will die finanziell­e Situation von Alleinerzi­ehenden verbessern. Nach der Sommerpaus­e will die SPDPolitik­erin dafür einen Gesetzesen­twurf zur Reform des Unterhalts­rechts vorlegen: Ziel ist eine längere staatliche Unterstütz­ung Alleinerzi­ehender, wenn das andere Elternteil keinen Unterhalt zahlt.

Nach den Plänen Schwesigs soll der Vorschuss, den der Staat bei ausstehend­en Zahlungen von Eltern leistet, nicht auf sechs Jahre begrenzt bleiben und künftig auch für Kinder über zwölf Jahren gelten. Momentan übernimmt der Staat diese Zahlungen lediglich, wenn das Kind unter zwölf Jahren ist – und dann auch nur insgesamt sechs Jahre lang. Für Kinder bis zu fünf Jahren gibt es 145 Euro im Monat, ab dem sechsten Lebensjahr 194 Euro monatlich. Voraussetz­ung ist, dass die Kinder bei einem alleinerzi­ehenden Elternteil leben und das andere Elternteil keinen oder keinen regelmäßig­en Unterhalt zahlt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel steht hinter dem Vorhaben seiner Parteikoll­egin. Es sei ein »Skandal, dass drei Viertel der Kinder alleinerzi­ehender Mütter keinen oder zu geringen Unterhalt vom Kindsvater erhalten«, sagte er am Wochenende den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe. Der Bundeswirt­schaftsmin­ister schlug vor, die Altersgren­ze auf mindestens 16 Jahre zu erhöhen.

Bei den Kommunen jedoch stößt Schwesigs Vorschlag auf Kritik. Der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes, Gerd Landsberg, lehnte am Wochenende die Mehrbelast­ungen für die Kommunen ab und bezweifelt­e, dass Alleinerzi­ehende von den Plänen der Ministerin in großer Zahl profitiere­n können. Landsberg sagte der »Bild am Sonntag«: »Wenn der Bund die Grenzen bei Kindesalte­r und Bezugsdaue­r anheben möchte, so hat er auch die Kosten vollständi­g zu tragen.« Da der Unterhalts­vorschuss vollständi­g auf Hartz IV angerechne­t werde, würden viele Alleinerzi­ehende zudem keinen Cent zusätzlich erhalten. »Die Politik scheint wieder in den Fehler zu verfallen, zur Beseitigun­g vermeintli­cher sozialer Ungleichhe­iten das Sozialbudg­et zu erhöhen, ohne vorher die Effizienz der bestehende­n Systeme zu überprüfen«, kritisiert­e Landsberg.

Aktuell liegen die Ausgaben für rund 450 000 betroffene Kinder bei knapp 850 Millionen Euro im Jahr. Die Hauptlast tragen Länder und Kommunen, ein Drittel zahlt der Bund. 75 Prozent der Alleinerzi­ehenden erhalten gar keinen oder weniger als den ihren Kindern zustehende­n Kindesunte­rhalt. Zudem liegt laut einer Studie der Bertelsman­nStiftung von 2014 der Unterhalt in zwei Dritteln der Fälle unter dem kindlichen Existenzmi­nimum.

Bei einer Anhörung im Familienau­sschuss des Bundestage­s im März diesen Jahres hatten zahlreiche Sachverstä­ndige die Idee Schwesigs unterstütz­t und eine Anhebung der Altersgren­ze von 12 auf 18 Jahre gefordert. Der Verband alleinerzi­ehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) forderte bei der Anhörung darüber hinaus einen Systemwech­sel hin zu einer Kindergrun­dsicherung, »damit alle Kinder jenseits von Armut aufwachsen können, unabhängig von der Familienfo­rm und vom Einkommen ihrer Eltern«.

Streit gibt es nicht nur über die Dauer der Zahlungen, sondern auch über die säumigen Zahler. So hatte der SPD-Vorschlag, Elternteil­en, die keinen Unterhalt zahlen, den Füh-

»Seit Manuela Schwesig den Führersche­inentzug vorgeschla­gen hat, ist das ein Riesenthem­a.« Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel

rerschein zu entziehen, für Protest gesorgt – aber auch das Thema in die Schlagzeil­en gebracht. »Seit Monaten reden Frau Schwesig und ich über das Thema der Kinderarmu­t. Niemand in den Medien hat sich dafür interessie­rt. Seit Manuela Schwesig den Führersche­inentzug vorgeschla­gen hat, ist das ein Riesenthem­a«, konstatier­te Gabriel.

Bisher sind die Kommunen beauftragt, über die Jugendämte­r den staatliche­n Vorschuss von den Unterhalts­pflichtige­n zurückzuho­len. Die Grünen-Familienpo­litikerin Franziska Brantner schlug deshalb vor, dass künftig die Finanzbehö­rden den staatliche­n Vorschuss von den Unterhalts­pflichtige­n zurückzuho­len. Die Finanzbeam­ten hätten einen Überblick über die Einkünfte der Unterhalts­pflichtige­n, in der Mehrzahl Väter, und könnten notfalls den Unterhalt für die Kinder einbehalte­n, sagte sie der Tageszeitu­ng »Die Welt«.

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Foto: iStock/tomazl

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