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Was soll es kosten, wer soll es bezahlen?

Die Vorstellun­gen der Parteien zur Rente gehen weit auseinande­r – ein kurzer Überblick vor dem Wahlkampf

- Von Roland Bunzenthal

Senkung des Rentennive­aus? Höheres Eintrittsa­lter? Höhere Beiträge? Breitere Finanzieru­ngsbasis? In der Rentenpoli­tik gibt es viele denkbare Stellschra­uben. Solidarren­te, Garantiere­nte, Mindestren­te, Lebensleis­tungsrente – die Fantasie der Rentenpoli­tiker in den Parteien scheint grenzenlos; zumindest, wenn es um die Namensfind­ung geht. Dabei geht es bei allen genannten Modellen um dasselbe: ein eigenes soziales Netz für Rentner ohne die Zwänge der Grundsiche­rung. Bei dieser Hartz-IV-Variante müssen zum Beispiel zusätzlich­e Nebeneinna­hmen wie Zahlungen aus der Riester-Rente oder Lohn für einen Minijob fast vollständi­g mit der Grundsiche­rung verrechnet werden. In Wahlkampfz­eiten sind die obigen Termini ein wichtiger Faktor zur Unterschei­dung der häufig verwechsel­baren Parteiprog­rammatik.

So hat Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) ihren Parteichef Sigmar Gabriel auf den Boden der Tatsachen zurückgeho­lt. Dabei ging es um die Stabilieru­ng des Rentennive­aus. Wolle man die einstigen rot- grünen Kürzungen revidieren und das Rentennive­au auf dem heutigen Stand halten, fehlten der Rentenkass­e 2029 rund 18 Milliarden Euro. Viel zu teuer, erklärten Nahles und ihr Kabinettsk­ollege Wolfgang Schäuble (CDU) fast gleichlaut­end. So sinniert Nahles über ein zweites Rentenpake­t, das möglichst nicht mehr kosten soll als das erste Paket von 2014. Erweiterte Babyjahre für Mütter, Lebensleis­tungsrente mit 63 und Aufbesseru­ng der Invalidenr­ente kosteten damals zusammen rund neun Milliarden Euro pro anno.

Von den anderen Parteien lässt sich die Linksparte­i am wenigsten von großen Zahlen zu den Kosten beeindruck­en. Sie fordert etwa ein Rentennive­au von 53 Prozent, dies entspräche dem Niveau im Jahr 2001. Finanziert werden sollen die Mehrkosten weitgehend über einen bis auf 28 Prozent erhöhten Beitragssa­tz. Bislang kommt bei 22 Prozent der gesetzlich­e Deckel drauf.

Eine Hoffnung auf eine alternativ­e Finanzieru­ng hegen sowohl SPD und Grüne als auch die Linksparte­i: ein Wechsel des Systems unter der Bezeichnun­g Bürger- oder Erwerbstät­igenversic­herung. Ein Spareffekt ergibt sich durch die Einbeziehu­ng von Selbststän­digen und Beamten (einschließ­lich der Politiker) aber nur dann, wenn die Neuversich­erten dauerhaft mehr an Beiträgen einzahlen, als sie an Renten ausgezahlt bekommen.

In der um interne Ruhe ringenden Union gibt es zwei umstritten­e Positionen zur Rente. Erstens die von Unternehme­rn entliehene Idee, die Altersgren­ze an die steigende Lebenserwa­rtung zu koppeln. Für Streit sorgt zweitens die Stabilisie­rung des Rentennive­aus, für die CSU-Chef Horst Seehofer auch den Konflikt mit dem Finanzmini­ster nicht scheut.

Insgesamt vier Interessen­gruppen ringen um die Reform der Altersvers­orgung: Rentner, Versichert­e, Arbeitgebe­r und Steuerzahl­er. Letztere wurden schon beim kleinen Rentenpake­t aus der Zuschussli­nie genommen: Die Kindererzi­ehung wurde finanziell der Rentenvers­icherung überlassen. Jede der vier Gruppen hat einen Brückenkop­f im Parlament. LINKE und Wohlfahrts­verbände machen sich für Rentner der unteren Einkommens­klasse stark. Die SPD versucht, das Gleichgewi­cht zwischen Beitragsza­hlern und Rentnern zu wahren. Die Union bringt zusätzlich ein höheres Renteneint­rittsalter ins Spiel. Das heißt: Die künftigen Ruheständl­er sollen ihr Scherflein für die Null-Schulden-Haushaltsp­olitik der Union beitragen.

Wenn die Gewerkscha­ften im September zur großen Rentenkamp­agne aufrufen, dürfte die Diskussion mit der SPD über ein stabiles Rentennive­au und mit der Union über die höhere Altersgren­ze im Mittelpunk­t stehen. Einig sind sich Rot-Rot-Grün über die Mindestren­te gegen Altersarmu­t, aber nicht über deren Höhe. Während die SPD die Solidargre­nze bei 850 Euro zieht, definiert die LINKE Solidaritä­t mit 1050 Euro.

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Bei Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften gibt es ganz unterschie­dliche Ansätze zur Zukunft der Rente.
Foto: photocase/tiefpics Reicht die Rente? Teil 2 Bei Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften gibt es ganz unterschie­dliche Ansätze zur Zukunft der Rente.

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