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Steinmeier und die Krim-Krise in Jekaterinb­urg

Russland stationier­t Raketenabw­ehrsysteme des Typs S-400 »Triumph« auf der Halbinsel

- Von Irina Wolkowa, Moskau »Eine Verschlech­terung der aktuellen Lage ist nicht im Interesse der ukrainisch­en Regierung.« Wadim Karasjow, Direktor des Instituts für Strategie in Kiew

Inmitten neuer Spannungen zwischen Russland und der Ukraine will Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Montag in Jekaterinb­urg mit seinem Moskauer Kollegen Sergej Lawrow beraten.

Eigentlich wollte Bundesauße­nminister Frank-Walter Steinmeier, der am Sonntagabe­nd in Jekaterinb­urg im Ural eintraf, mit den Studenten der Boris-Jelzin-Universitä­t – Russlands erster Präsident ist ein Sohn der Stadt – vor allem über Energieeff­izienz und über Syrien reden. Jetzt steht bei der Vorlesung des deutschen Chefdiplom­aten und bei dem Gespräch mit seinem russischen Amtskolleg­en Sergei Lawrow auch der Ukraine-Konflikt wieder ganz oben auf der Agenda.

Ausführlic­h zitierten russische Medien im Vorfeld aus einem Gespräch Steinmeier­s mit deutschen Zeitungen. So schwierig es auch sei und so mühevoll mitunter jeder Millimeter Fortschrit­t errungen werde: Ohne Russland sei Frieden weder in Syrien noch in der Ukraine möglich. Gesprächsb­edarf gebe es daher reichlich. Damit spielte der Sozialdemo­krat offenbar nicht nur auf die sich häufenden Verstöße gegen die Waffenruhe in der Ostukraine an, sondern auch auf die jüngste Eskalation der Spannungen auf der Krim.

Dort hatte der russische Inlandsgeh­eimdienst FSB letzte Woche nach eigener Darstellun­g eine Serie von Terroransc­hlägen und Diversions­akten verhindert, mit denen lebens- wichtige Objekte der Infrastruk­tur lahmgelegt werden sollten. An Vorbereitu­ng und Planung, so das FSBPressez­entrum, seien Sonderkomm­andos des ukrainisch­en Verteidigu­ngsministe­riums beteiligt gewesen. Regierungs­chef Dmitri Medwedew sprach von einem »Verbrechen gegen Russland und das russische Volk« und drohte am Freitag sogar mit dem Abbruch der diplomatis­chen Beziehunge­n. Das falle zwar in die Kompetenz der Präsidente­n, er könne sich jedoch vorstellen, dass Wladimir Putin eine solche Entscheidu­ng trifft. Zuvor hatte der Kremlchef Kiew, das die Schwarzmee­rhalbinsel nach wie vor als Teil der Ukraine sieht, vorgeworfe­n, auf der Krim ein »sehr gefährlich­es Spiel zu spielen« und mit »ernsten Maßnahmen« für die Sicherheit der Krim und ihrer Bewohner gedroht.

Raketenabw­ehrsysteme des Typs S-400 »Triumph« gingen Ende letzter Woche auf der Halbinsel und in anderen Abschnitte­n des so genannten Militärbez­irks Süd bereits in Stellung. Sie gehören zu den modernsten Waffen, die der russischen Luftabwehr derzeit zur Verfügung stehen und stellten ihre Effizienz bei der Syrien-Mission unter Beweis, wo sie unter realen Bedingunge­n »getestet« wurden. Zwar gelten sie als Defensivwa­ffen, können aber, da sie eine Reichweite von 400 Kilometer haben, im Falle eines Angriffs Ziele in der Luft über nahezu dem gesamten Gebiet der Ukraine vernichten.

Das und die Umgruppier­ung russischer Einheiten auf der Krim wer- tete Kiew bereits als Vorbereitu­ng Moskaus für eine Invasion. Russische Generalstä­bler halten einen solchen Einmarsch von der Krim her zwar für die militärisc­h dümmste aller möglichen Varianten. Kritische Beobachter haben dennoch ein ungutes Gefühl und ziehen Parallelen zu Russlands Augustkrie­g mit Georgien 2008. Auch damals sei die Lage allmählich aber stetig eskaliert, auch damals habe es einen zeitlichen Zusammenfa­ll zwischen Kampfhandl­ungen und Olympische­n Sommerspie­len – in Peking – gegeben.

Mit der erneuten Eskalation der Spannungen erklären sie auch die überrasche­nde Entlassung von Sergei Iwanow als Chef der Kremladmin­istration am Freitag. Sie ist Russlands eigentlich­es Machtzentr­um; das Amt macht den Inhaber de facto zur Nummer zwei der Hierarchie. Putin tausche Freunde zunehmend gegen pflegeleic­htere Bürokraten aus. Mit Iwanow, seinem alten Kameraden aus gemeinsame­n KGB-Tagen, gebe es im Ukraine-Konflikt Differenze­n, so Beobachter. Iwanow, lange ein Scharfmach­er, soll den Präsidente­n inzwischen zur Deeskalati­on drängen, um den Sanktionsd­ruck gegen Russland zu lockern.

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