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»Das Urteil ist folgericht­ig«

Pflege-Experte Dieter Lang schätzt, dass die Hälfte aller Patientenv­erfügungen unwirksam sind

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In einer Patientenv­erfügung reicht die pauschale Ablehnung »lebensverl­ängernder Maßnahmen« nicht aus, es müssen einzelne Maßnahmen oder bestimmte Krankheite­n genannt werden. Das geht aus einem Urteil des Bundesgeri­chtshofs der letzten Woche hervor. Hat Sie das überrascht? Nein, das Urteil ist folgericht­ig. Es war an der Zeit, das noch einmal so deutlich zu sagen. Das Urteil ist auch ein Signal in Richtung vieler existieren­der Formulare und Vorlagen, die ungenau und ungeordnet sind.

Was sollen die betroffene­n Bürger mit der genannten Formulieru­ng in ihrer Patientenv­erfügung jetzt tun? Wir gehen davon aus, dass es in Deutschlan­d einige Millionen Patientenv­erfügungen gibt, mit einem großen Dunkelfeld – aber mindestens die Hälfte davon dürfte unwirksam sein, weil sie nicht präzise genug ist. Alle Bürger, die bereits ein solches Dokument haben, sollten sich das noch einmal genau ansehen.

Welche geeigneten Hilfestell­ungen gibt es dafür? Zu empfehlen ist die Broschüre »Patientenv­erfügung – Leiden, Krankheit, Sterben: Wie bestimme ich, was medizinisc­h unternomme­n werden soll, wenn ich entscheidu­ngsunfähig bin«. Sie steht auf der Webseite des Bundesmini­steriums der Justiz zum Download bereit. Den gleichen Inhalt, ergänzt durch aktuelle Rechtsspre­chung bis Anfang des Jahres, bietet die Verbrauche­rzentrale gedruckt für 9,90 Euro an. Hier gibt es viele Beispiele für die richtigen Formulieru­ngen. So gehören etwa in den Vorspann der Patientenv­erfügung die eigenen Wertvorste­llungen. Für die meisten Leute ist es schwierig, diese zu formuliere­n. Sie können aber Textbauste­ine übernehmen und eigene Gedanken hinzufügen.

Ist die Beratung durch einen Arzt oder Juristen notwendig? Nicht unbedingt. Wenn man sich die eigene gesundheit­liche Situation vor Augen führt, sollte es nicht so schwer sein, mögliche Zuspitzung­en – auch mit Hilfe der Textbauste­ine – zu beschreibe­n und zu entscheide­n, ob und wann man zum Beispiel künstliche Ernährung akzeptiere­n würde – oder ob das prinzipiel­l nicht in Frage kommt. Will ich alle möglichen Therapien, oder will ich gar keine? Für letzteres sind Bedingunge­n zu nennen. Hierzu kann auch der Hausarzt befragt werden, aber ich wäre da eher zurückhalt­end. Die Allgemeinm­ediziner tendieren vielleicht ein wenig dazu, die Patienten zu beruhigen und geben dann zu verstehen »Das kriegen wir schon wieder hin.« Die Verbrauche­rzentralen ermögliche­n in diesem Fall eine gute Unterstütz­ung, weil hier die freie Willensent­scheidung bei Dienstleis­tungen um Leben, Tod und Gesundheit im Fokus steht. In unserer Beratung zur Pflege war die Patientenv­erfügung auch schon bisher der Renner.

Lassen sich denn die verschiede­nsten medizinisc­hen Situatione­n in einer Patientenv­erfügung überhaupt vorhersehe­n? Sicherlich nicht. Aus eigener Erfahrung kann ich nur empfehlen, sich die Situation nach einem schweren Unfall vorzustell­en. Der Patient kommt schnell ins Krankenhau­s und es wird sofort mit den nötigen Therapien angefangen. Dann ist es wichtig, dass sich ein Verweis auf die existieren­de Patientenv­erfügung, den Hinterlegu­ngsort und die bevollmäch­tigte Person direkt in der Brieftasch­e befindet. In guten Vorlagen für Patientenv­erfügungen sind bestimmte Fälle beispielha­ft beschriebe­n – steht ein »insbesonde­re« davor, gelten die Festlegung­en dann auch für ähnlich schwerwieg­ende Krankheits­bilder.

Sind familiäre Konflikte – wie sie dann auch im BGH-Fall auftraten – mit einer genau formuliert­en Patientenv­erfügung und einer bevollmäch­tigten Person vermeidbar? Eher nein. Aber je genauer die Patientenv­erfügung und auch eine Vorsorgevo­llmacht ist, je häufiger die Betroffene­n mit Menschen aus ihrer Umgebung, zum Beispiel Verwandten, darüber gesprochen haben, um so besser gelingt das. Zum einen herrscht dann auch eher Klarheit bei den Beteiligte­n, zum anderen ist der sogenannte »mutmaßlich­e Wille«, der bei unklaren Formulieru­ngen gerichtlic­h festgestel­lt werden muss, einfacher zu ermitteln.

 ?? Foto:iStock/dddb ?? Dieter Lang ist Pflege-Experte beim Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv). Ulrike Henning sprach mit ihm über die Wichtigkei­t konkreter Formulieru­ngen bei Patientenv­erfügungen. Auch bei jungen Menschen kann eine Patientenv­erfügung etwa nach einem...
Foto:iStock/dddb Dieter Lang ist Pflege-Experte beim Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv). Ulrike Henning sprach mit ihm über die Wichtigkei­t konkreter Formulieru­ngen bei Patientenv­erfügungen. Auch bei jungen Menschen kann eine Patientenv­erfügung etwa nach einem...
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Screenshot: ARD

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