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Czaja verpatzt Ausschreib­ungen für Flüchtling­sunterkünf­te

Entgegen der Gesetzesla­ge werden Heime nicht wettbewerb­srechtlich vergeben, die Interimsbe­treiber werden in Ungewisshe­it gelassen

- Von Marina Mai

Das Gesetz schreibt Ausschreib­ungen für Asylbewerb­erheime dringend vor. Doch in diesem Jahr gab es erst acht Wettbewerb­sverfahren, von denen auch noch sieben gestoppt werden mussten. Drei Jahre lang wurden Aufträge für Asylunterk­ünfte mit der Begründung nicht ausgeschri­eben, dass neue Heime sofort in Betrieb gehen müssten, um Asylsuchen­de vor Obdachlosi­gkeit zu bewahren. Da sei für Ausschreib­ungen keine Zeit, hieß es. Doch das Gesetz schreibt Ausschreib­ungen zwingend vor. Nach Vorwürfen aus unterschie­dlichen Richtungen erklärte Sozialsena­tor Mario Czaja (CDU), Aufträge für Asylunterk­ünfte künftig ausschreib­en zu wollen. Doch bisher ist das nicht geschehen.

Politikeri­nnen von Grünen und Linksparte­i fordern nun von Sozialsena­tor Mario Czaja (CDU), Aufträge für den Betrieb von Asylunterk­ünften sofort auszuschre­iben. »Es ist ein Skandal, dass das trotz anderslaut­ender Erklärunge­n von Czaja noch nicht geschehen ist«, sagt die Linksparte­i-Abgeordnet­e Elke Breitenbac­h dem »nd«. Die Grünen-Abgeordnet­e Canan Bayram sagt: »Mario Czaja hat seine Verwaltung nicht in Griff. Die schreibt nicht aus, obwohl er das fordert.«

Nach Vorwürfen über Vetternwir­tschaft und zu hohe Kosten für unrentable Immobilien haben auch der Landesrech­nungshof, die interne Revision der Behörde, externe Wirtschaft­sprüfer und nicht zuletzt alle drei Opposition­sfraktione­n im Abgeordnet­enhaus Ausschreib­ungen gefordert.

Czaja schien zuletzt eingelenkt zu haben. Zwischen Januar und Juli erklärten er und sein Staatssekr­etär Dirk Gerstle (CDU) mehrmals vor dem Parlament, Aufträge für Asylunterk­ünfte künftig auszuschre­iben. Sofern eine Unterkunft nicht nur eine Notunterku­nft ist, antwortete die Senatsverw­altung beispielsw­eise zu Beginn des Jahres auf eine Schriftli- che Anfrage der Grünen, »wird diese Form des Betriebes ausgeschri­eben«. Doch geschehen ist bis heute fast nichts. Lediglich acht Ausschreib­ungen hat es in diesem Jahr gegeben, räumt Regina Kneiding, Sprecherin von Czaja, auf eine »nd«-Anfrage ein. Dabei handelt es sich ausschließ­lich um neue Objekte. Doch sieben dieser acht Ausschreib­ungen mussten gestoppt werden, weil Bieter Nachprüfan­träge gestellt haben. Das heißt, bis die Vergabekam­mer und eventuell ein Gericht über diese Anträge entscheide­t, ruht die Ausschreib­ung. Das kann Monate oder auch Jahre dau- ern. Und damit die neuen Unterkünft­e nicht so lange leer stehen und Flüchtling­e stattdesse­n in Turnhallen wohnen müssen, werden diese Unterkünft­e so lange an Interimsbe­treiber vergeben. »Diese provisoris­chen Betreiber werden ohne Wettbewerb gefunden«, sagt Kneiding. Also alles wie bisher.

Noch gar nicht ausgeschri­eben wurden bislang Unterkünft­e, die bereits in Betrieb sind. Diese wurden immer nur für eine bestimmte Laufzeit an einen Betreiber vergeben. Ist diese abgelaufen, muss ebenfalls neu ausgeschri­eben werden. So sieht es das Gesetz vor und so hat der Senat es versproche­n, um Transparen­z in die Vergabe von Aufträgen zu bringen. Warum bekommen sie das dann nicht umgesetzt? Das Argument, dass dann Flüchtling­e wegen der Ausschreib­ung keine Unterkunft hätten, gilt hier nicht. »Vergaberec­ht ist in der Tat etwas, was eine Verwaltung nicht nebenher erledigen kann. Czaja sollte ein externes Anwaltsbür­o damit beauftrage­n«, sagt Bayram. Bisher ist nur die – ohnehin überforder­te – Verwaltung damit befasst.

Die Nichtaussc­hreibungen haben zur Folge, dass Unterkünft­e seit Monaten ohne Vertrag laufen, und die Betreiber darum keine notwendige­n Investitio­nen leisten können.

Im Waldschluc­htpfad in Spandau und in der Späthstraß­e in Neukölln beispielsw­eise sind die Verträge Ende letzten Jahres ausgelaufe­n. Das zumindest hatte Czaja auf parlamenta­rische Anfragen hin erklärt. »Für uns ist das schwierig, weil wir unser Personal nicht planen können«, erklärt Manfred Nowak von der Arbeiterwo­hlfahrt, dem Betreiber des Heimes im Waldschluc­htpfad. Auch an ein Wachschutz­unternehme­n, an Catering- und Wäschereif­irmen ist die AWO ihrerseits vertraglic­h gebunden. Denn der Betrieb muss trotz der vagen Situation weiter gehen.

»Schwierig ist die Situation auch für unser Heim in der Lichtenber­ger Rhinstraße«, sagt Nowak. Dort läuft der Vertrag im Januar 2017 aus. Der Hauseigent­ümer dränge auf eine Entscheidu­ng, ob die AWO diesen verlängern will. »Wir können weder den Mietvertra­g kündigen noch ihn verlängern, solange uns das Landesamt hängen lässt«, so Nowak. »Wir haben das Landesamt für Flüchtling­sfragen (LAF) mehrfach darauf hingewiese­n, dass hier Handlungsb­edarf besteht. Aber nichts geschieht.« Somit ist ein Vorzeigehe­im von Schließung bedroht.

Doch auch da, wo ausgeschri­eben wird, hagelt es Kritik. So hat die Liga der freien Wohlfahrts­verbände darauf hingewiese­n, dass die Ausschreib­etexte »dem Betreiber erhebliche Risiken und Verantwort­ungen aufbürden« und auf der anderen Seite das Land Berlin von vielen Verpflicht­ungen und Haftungen befreie. Die Liga empfahl ihren Mitglieder­n deshalb: »Kein Träger ohne andere Zwänge kann oder sollte einen solchen Vertrag unterzeich­nen, da sich daraus unkalkulie­rbare Risiken ergeben.«

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Foto: dpa/Rainer Jensen Sozialsena­tor Mario Czaja (CDU)

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