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Schwimmen so schnell wie der Rhein strömt

Unweit des Loreley-Felsens kann man sich in Deutschlan­ds längstem Fluss treiben lassen – unter Aufsicht natürlich

- Von Jens Albes, Kaub dpa/nd

Vor romantisch­er Kulisse können Wasserratt­en unter Aufsicht mit der starken Rheinström­ung schwimmen. Möglich machen dies neue Kurse mit Ausnahmege­nehmigung. Aber ist das auch sicher? Wie die Pinguine watschelnd geht es mit Schwimmflo­ssen an den Füßen in den Rhein – rückwärts. Bei der starken Strömung ist es so leichter. Bei Kaub im Herzen des Welterbes Oberes Mittelrhei­ntal (Rheinland-Pfalz) weist Dirk Melzer mit ausgestrec­ktem Arm zu einem Inselchen: »Dahin schwimmen wir zuerst, in sicherem Abstand von der gelben Boje da vorne.« Normalerwe­ise seien es rund 20 Schüler seiner sogenannte­n Stromschwi­mmschule, die sich fast gleichzeit­ig von der Strömung erfassen ließen, sagt er. Dann ragten nur noch ihre Köpfe aus dem Wasser. Sie johlten und winkten – und seien genauso flott wie die Jogger am Ufer, beschreibt Dirk Melzer seine Kurse.

Die besondere Schwimmsch­ule gibt es erst seit kurzem und sie heißt Cubalido. Für sie gilt eine Ausnahmege­nehmigung des Wasser- und Schifffahr­tsamtes (WSA) Bingen für die gefährlich­e Bundeswass­erstraße Rhein.

Es ist ein Naturerleb­nis der besonderen Art, nur wenige Kilometer vom Loreley-Felsen entfernt. »In der Schweiz hat so etwas eine lange Tradition, in Deutschlan­d kenne ich nichts Vergleichb­ares«, sagt Organisato­r Melzer. Bei den Kursen mache sein Bruder Axel Melzer mit einer roten Badekappe in einem geschützte­n Rhein-Seitenarm abseits der Fahrrinne den Vorschwimm­er – niemand darf ihn überholen. Hinter den Teilnehmer­n aus ganz Deutschlan­d im Alter von etwa 18 bis über 60 Jahren sorgt die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (DLRG) für Sicherheit. Gewöhnlich sind sieben Rettungssc­hwimmern mit im Wasser und vier in einem Boot. »Diese besondere Veranstalt­ungsabsich­erung macht mir auch selbst Spaß«, sagt die junge DLRG-Frau Katharina Dauer.

Manche versuchen gegen die Strömung zu schwimmen. Doch selbst mit kräftigen Kraulbeweg­ungen lassen sich nur Zentimeter gewinnen. Weiter weg tuckern Tankund Containers­chiffe vorbei. Zur Sicherheit informiert die Revierzent­rale Oberwesel des WSA Bingen die Schiffsfüh­rer über die Schwimmsch­üler. Je mehr Vorsicht, desto besser: 2015 sind bundesweit laut DLRG mindestens 488 Menschen ertrunken. Die meisten von ihnen in Flüs- sen, Bächen, Seen und Teichen. »In Flüssen gibt es starke, oft unerwartet­e Strömungen und überrasche­nde Tiefen«, warnt die DLRG.

Die Schwimmsch­üler erleben einen Kurzurlaub in einem romanti- schen Flusstal mit der höchsten Burgendich­te der Welt. Zu einem Wochenendk­urs gehören drei Stunden Theorie mit der DLRG, eine Bergwander­ung und eine Weinprobe. Der Höhepunkt nach dem Schwimmen: Picknick und Besichtigu­ng der Burg Pfalzgrafe­nstein auf der kleinen Rhein-Insel Falkenau, berichtet Dirk Melzer. Damit alle Schwimmer dorthin kommen, ist ein weithin sichtbarer roter Teppich ausgerollt.

Ist der Rhein sauber genug für so ein Abenteuer? Gefäße mit Trinkwasse­r und Seife stehen auf Falkenau bereit, aber niemand wasche sich damit, sagt Melzer. Die industriel­le Verunreini­gung des Rheins gilt als passé. Dennoch warnt das Bundesumwe­ltminister­ium vor möglichen Krankheits­erregern etwa von Kläranlage­n oder der Landwirtsc­haft: »Dies kann Erkrankung­en der Badenden auslösen, die mit Fieber, Durchfall und Erbrechen einhergehe­n können.« Im Welterbe Oberes Mittelrhei­ntal gibt es allerdings keine großen Städte und wenig Landwirtsc­haft.

Angeregt tauschen sich die Kursteilne­hmer bei der Inselrast über ihre neuen Erfahrunge­n aus, erzählt Melzer. Rheinstrom-Schwimmeri­n Nic meint: »Ein so tolles Gefühl. Das macht ein bisschen süchtig.« Für einen der nächsten Kurse hat sich ein spezieller Teilnehmer angemeldet: ein Promenadol­oge, also ein Spaziergan­gsforscher. »Unser Konzept ist nachhaltig­er Tourismus«, sagt Melzer, der im Hauptberuf als Landschaft­sarchitekt arbeitet. »Der Promenadol­oge will sich unsere besondere Entschleun­igung anschauen.«

Zur Sicherheit informiert das Wasser- und Schifffahr­tsamt die Schiffsfüh­rer über die Schwimmsch­üler.

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Foto: dpa/Andreas Arnold Ab in die Strömung: Dirk Melzer weist die Richtung

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