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Hessen: CDU-Politikeri­n soll Helios-Konzern schönreden

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Dieser Tage überrascht­e eine Personalie in Hessens Landeshaup­tstadt: Die Wiesbadene­r CDU-Politikeri­n Simone Koch, bisher Referatsle­iterin im Bereich Öffentlich­keitsarbei­t in Hessens Staatskanz­lei, wird die neue regionale Unternehme­nssprecher­in des HeliosKonz­erns. Damit ist Koch zuständig für neun Kliniken in Hessen und Nordbayern, an denen Helios beteiligt ist. Darunter auch die Helios Dr. Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) in der Landeshaup­tstadt Wiesbaden. Die HSK waren vor vier Jahren unter großem Protest aus der Bevölkerun­g von der damaligen CDU/SPD-Koalition im Wiesbadene­r Rathaus teilprivat­isiert worden.

49 Prozent der Anteile gingen damals an den Rhön-Konzern, der die HSK und die meisten seiner Kliniken wenig später an Helios weiterverk­aufte. Entspreche­nd dem damals unter Federführu­ng eines SPD-Dezernente­n ausgehande­lten Vertrag übernahm der private Minderheit­seigner das operative Geschäft. So gibt in einem Krankenhau­s, das nach wie vor zu 51 Prozent der Stadt Wiesbaden gehört, heute ausschließ­lich Helios den Ton an. Und auf zunehmende Missstände im Haus angesproch­en, waschen eigentlich zuständige Kommunalpo­litiker die Hände in Unschuld.

Simone Koch dürfte in ihren neuen Job ab sofort viele Medienanfr­agen zu bearbeiten haben, die sich auf die negativen Folgen der Teilprivat­isierung des einstigen kommunalen Vorzeigekr­ankenhause­s beziehen – Folgen für Patienten und Beschäftig­te. So ging das Management bei dem mit hohen Prämien geförderte­n Personalab­bau nach Ansicht vieler Beobachter unverantwo­rtlich vor und verursacht­e Personalno­t.

Dies wiederum bot den Vorwand für den zunehmende­n Einsatz von Leiharbeit­skräften im Pflegebere­ich. Er werde ab Ende Oktober einem Einsatz von Leiharbeit­skräften im Pflegebere­ich nicht mehr zuzustimme­n, kündigte der HSK-Betriebsra­t jüngst in einem Flugblatt an. Darin wurde die drastische Zunahme prekärer Arbeit beschriebe­n. So seien derzeit knapp 30 Leiharbeit­er in zwölf Stationen eingesetzt. Sie hätten allein im Monat Juli 6827 Stunden in der Klinik gearbeitet.

Die HSK waren zu Jahresbegi­nn bereits durch Undercover-Recherchen des Journalist­en Günter Wallraff in die Schlagzeil­en geraten. Die Erkenntnis­se wurden zum Verdruss von Helios in der RTLReporta­ge »Wenn Krankenhäu­ser gefährlich werden« veröffentl­icht. Einen öffentlich­en Auftritt Wallraffs in Wiesbaden hatte Helios zu Jahresbegi­nn juristisch zu stoppen versucht. »Wir haben eher zu harmlos berichtet«, bringt es Wallraff in einer ver.di-Publikatio­n auf den Punkt. »Unser Gesundheit­swesen ist im schwersten Sinne chronisch erkrankt. Es muss sich Grundsätzl­iches ändern.«

Änderungen im durch den Staat seit Jahren finanziell vernachläs­sigten Krankenhau­sbereich strebt auch Hessens schwarz-grüne Regierung an, in deren Diensten Simone Koch stand. So drängt Gesundheit­sminister Stefan Grüttner (CDU) auf Zusammensc­hlüsse und Verbünde kommunaler Kliniken in benachbart­en Großstädte­n und Kreisen, was die Wirtschaft­lichkeit der Häuser verbessern soll. Zugleich könnte so aber nach der Ansicht von Kritikern auch die Kontrolle durch kommunale Gremien schwinden und eine Privatisie­rung erleichter­t werden. Eine Initiative lokaler Akteure zur Erhaltung einer Klinik in Lindenfels (Odenwald) auf Basis eines Genossensc­haftsmodel­ls war unlängst an Grüttners Weigerung gescheiter­t, eine Landesbürg­schaft über drei Millionen Euro zu geben.

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