Gold und Blech
Er ist über Nacht aus dem langen und ihn wohl auch bedrückenden Schatten seines großen und sechs Jahre älteren Bruders Robert herausgetreten, in fulminanter Art und Weise mit seinem allerletzten Wurf. Dafür verdient Christoph Harting Respekt – sportlich ohne Wenn und Aber.
Doch es bleibt Unbehagen über den Überraschungsolympiasieger zurück, der augenscheinlich mit dem Diskus besser umzugehen versteht als mit der medialen Aufmerksamkeit. Sie sei nicht sein Ding, sagt er. Sie missfalle ihm. Dabei hat er die Aufmerksamkeit mit seinem Verhalten und seinen Gesten außerhalb des Diskusringes geradezu auf sich gezogen.
Zugegeben: Christoph ist nicht Robert. Es sind zwei ungleiche Brüder, die auch ihre Probleme im Umgang miteinander haben. Doch so etwas kommt in den besten Familien vor. Christoph Harting ist der glatte Gegenentwurf zum medial aufdrehenden, mitunter überdrehenden Robert, der so manch kesse Lippe riskiert, kein Blatt vor den Mund nimmt – gegen wen und in welcher Sache auch immer.
Unmut aber bleibt. Ist es respektlos oder nur peinlich, wenn der Goldgewinner bei der Siegerzeremonie herumzappelt, feixt, Grimassen schneidet und beim Abspielen der Nationalhymne schunkelt? »Stillstehen war nicht so meins«, sagt er.
Ist es respektlos, wenn er auf der Pressekonferenz der Medaillengewinner die Journalistenschar aus aller Welt mit der Bemerkung vor den Kopf stößt, dass dies hier »relativ schweigend verlaufen« werde?
Dass der frisch gekürte Olympiasieger kein PR-Typ und eher zurückhaltend sei, muss man respektieren. Aber gut muss man seinen Auftritt nach dem Olympiasieg nicht finden. Es wird nun mal erwartet, dass ein Olympionike Vorbild für die Jugend auch abseits des Sports ist. Dafür hat er in Rio keine Medaille verdient.