Rot-grünes Koalitionsgeflüster
SPD-Spitzenkandidat Müller bekennt sich zu Ökopartei / Pop lehnt Koalition mit CDU ab
Noch vor dem Wahlabend wird in Berlin heftig über Rot-Grün und mögliche Koalitionen diskutiert. Die Debatte überlagert die jüngsten inhaltlichen Vorschläge von Grünen und Linkspartei.
Die SPD zieht mit einer Koalitionsaussage in den Wahlkampf. »Seit diesen Tagen ist mir klarer denn je: Nur eine Koalition jenseits der HenkelCDU kann ein besseres Berlin gestalten. Und dabei hat eine rot-grüne Zweierkoalition das Potenzial, den Herausforderungen des wachsenden Berlins am besten gerecht zu werden«, erklärte der Regierende Bürgermeister und Spitzenkandidat der Berliner SPD, Michael Müller, in einem Gastbeitrag für den »Tagesspiegel«. Von den Grünen forderte Müller ein Bekenntnis: »Auch die Berliner Grünen müssen sich nun entscheiden: Wollen sie weiter den schwarz-grünen Traum mit der Henkel/Czaja-CDU träumen? Oder sind sie bereit zu einer rot-grünen Koalition der Weltoffenheit und sozialen Verantwortung für alle Berlinerinnen und Berliner?« Er selbst, so Müller, sei zu einer Koalition der Investitionen, der sozialen Gerechtigkeit und der Sicherung von Arbeitsplätzen bereit.
»Wir werden keine Koalition mit der CDU eingehen«, sagte die Spit- zenkandidatin der Grünen, Ramona Pop, am Mittwoch. Insbesondere in den vergangenen Wochen habe sie die CDU nicht als Partei erlebt, die an der Regierung sein wolle. Die CDU sei die einzige Fraktion im Abgeordnetenhaus, die alles mögliche verspreche, aber für nichts Verantwortung übernehmen wolle. »Bewegen tut sie wenig, aber viel hat es gekostet«, sagte Pop über die vergangenen fünf Jahre, in denen die CDU an der Regierung in Berlin beteiligt war. »Da sehe ich wenige Anknüpfungspunkte.«
Pop kritisierte die »Showpolitik«, die die CDU in der Innenpolitik an den Tag gelegt habe. Die Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft und die Forderung nach einem Burkaverbot, womit die CDU Wahlkampf mache, hätten nichts mit den innenpolitischen Themen der vergangenen fünf Jahre zu tun und sollten nach Ansicht von Pop davon ablenken, dass die CDU »wenig Kenntnis über die Lage in Berlin« habe.
Gemeinsam mit dem Innenexperten der Fraktion, Benedikt Lux, stellte Pop am Mittwoch ein Diskussionspapier zum Thema Sicherheit vor. Neben mehr Personal bei Polizei, Feuerwehr und dem BVG-Sicherheitsdienst fordern die Grünen, stärker auf Deeskalationsstrategien zu setzen und wollen auch die zivile Präventionsarbeit fördern.
Als »für Grüne ungewöhnlich« forderte Lux, in der Terrorabwehr den finalen Rettungsschuss als Ultima Ratio einzuführen. Aktuell sei Berlin eines von drei Bundesländern, die dazu keine Regelung getroffen haben. Dazu müsse das Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs reformiert werden. Bisher sei Rechtslage, dass auf einen Verdächtigen, der flieht, geschossen werden könne. Wenn beispielsweise ein Dealer Drogen an einen Minderjährigen verkaufe, erwischt werde und fliehe, könne der Polizist ihn töten. »Das will ich weg haben«, sagte Lux.
Eine klare Aussage zu einer möglichen Koalition mit der SPD wollte Pop nicht machen. »Die Liebe der SPD zu den Grünen erwacht immer vor der Wahl und erkaltet schlagartig nach der Wahl.« Zuvor hatte auch das Spitzenquartett der Grünen kritisiert: »Drei Tage, drei verschiedene Koalitionsaussagen – das kann nur die SPD.«
Die Berliner Linkspartei, die am Wochenende noch Teil von rot-rotgrünen Gedankenspielereien Müllers war, zeigte sich am Mittwoch überrascht über die jüngste Volte des SPDSpitzenkandidaten. »Ehrlicher wäre es gegenüber den Wählerinnen und Wählern politische Angebote zu machen«, sagte der Landeschef und Spitzenkandidat der LINKEN, Klaus Lederer. Aus seiner Sicht seien am Ende Dreierkoalitionen wahrscheinlicher. »Die Zeiten, in denen Parteien 40 Prozent bekommen und mit einem kleineren Koalitionspartner regieren, sind in der Bundesrepublik vorbei«, sagte Lederer.
Überlagert von den Koalitionsdebatten wurden am Mittwoch die Vorschläge der LINKEN zu zwölf Punkten, die eine Regierung nach der Wahl anpacken müsste: So soll unter anderem der Bestand der städtischen Wohnungen in fünf Jahren auf 400 000 erhöht werden. Außerdem sollen Lehrer unbefristet eingestellt und der öffentliche Dienst mit einem Personalentwicklungskonzept wieder handlungsfähig gemacht werden. Ein klares Nein hat die Berliner LINKE zur Verlängerung der A 100 formuliert: Keine Planung und kein Bau, heißt es in dem Papier. Inwiefern die Vorschläge überhaupt zum Tragen kommen, wird sich nach der Wahl am 18. September zeigen. Notfalls will die LINKE die Forderungen aus der Opposition einbringen.