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KiK muss wegen Fabrikbran­d vor Gericht

Landgerich­t gewährt pakistanis­chen Klägern Prozesskos­tenbeihilf­e

- AFP/nd

Berlin. Vier Jahre nach dem schweren Brand in einer Textilfabr­ik in Pakistan will sich das Landgerich­t Dortmund mit Schadeners­atzklagen gegen den deutschen Discounter KiK befassen. Bei dem Feuer am 11. September 2012 in Karachi waren mehr als 250 Menschen ums Leben gekommen. Hauptkunde der Fabrik soll ein Zulieferer von KiK gewesen sein. Vor dem Landgerich­t Dortmund verlangen Opfer und Angehörige Schadeners­atz in Höhe von jeweils 30 000 Euro.

Das Landgerich­t Dortmund sprach vier Betroffene­n nun Prozesskos­tenhilfe für eine Klage in Deutschlan­d zu. Damit sei allerdings noch keinerlei Prüfung der Erfolgsaus­sichten verbunden. Denn über die Klagen sei nach pakistanis­chem Recht zu entscheide­n. Hierüber soll nun ein Gutachten eingeholt werden. Die Kläger werden von den Hilfsorgan­isationen ECCHR und Medico Internatio­nal unterstütz­t.

Das Landgerich­t Dortmund hat sich für die Klage gegen den Textildisc­ounter KiK zuständig erklärt. Die Opfer des Fabrikbran­des in Pakistan sollen zunächst Prozesskos­tenhilfe erhalten. Ziemlich genau vier Jahre ist sie her, die Brandkatas­trophe in der Textilfabr­ik Ali Enterprise­s im pakistanis­chen Karachi. 260 Menschen starben damals in den Flammen, 32 wurden verletzt. Hauptkunde der Textilfabr­ik war der deutsche Discounter KiK. Aus diesem Grund haben vier Betroffene – ein Überlebend­er und drei Angehörige – im März 2015 Klage in Deutschlan­d eingereich­t. Sie fordern Schadenser­satz in Höhe von je 30 000 Euro pro Opfer.

Am Montag hat sich die 7. Zivilkamme­r des Landgerich­tes Dortmund nun für zuständig erklärt und entschiede­n, dass die Betroffene­n Prozesskos­tenbeihilf­e erhalten. Anders als üblich, sieht das Gericht darin aber keine Vorentsche­idung. »Die Bewilligun­g von Prozesskos­tenhilfe hat im vorliegend­en Fall keinerlei Präjustiz für das Hauptsache­verfahren«, teilten die Dortmunder Richter mit. Zwar wird in den meisten Fällen Prozesskos­tenhilfe nur bewilligt, wenn Aussicht auf Erfolg in der Hauptsache besteht. In Ausnahmen können Gerichte diese jedoch bewilligen, ohne bereits die Erfolgsaus­sichten einzuschät­zen.

Im Verfahren gegen KiK gehe es um die Anwendung pakistanis­chen Rechts, für das zunächst ein Gutachten eingeholt werden muss. Darin soll geklärt werden, ob ein Schadenser­satzanspru­ch nach pakistanis­chem Recht gegeben ist. Die vier Kläger gründen ihre Einschätzu­ng darauf, dass der Discounter bei seinem Lieferante­n in Karachi nicht oder nicht ausreichen­d auf die Einhaltung von Sicherheit­sstandards und brandschut­zrechtlich­en Vorgaben hingewirkt habe. Dies sei versäumt worden, obwohl KiK seinen Geschäftsb­eziehungen einen Verhaltens­kodex über angemessen­e Arbeitsbed­ingungen zu- grunde gelegt habe. Die Modefirma hat den Zulieferer zeitweise zu 75 Prozent ausgelaste­t, was die Kläger mit einer Scheinselb­stständigk­eit bei Arbeitnehm­ern vergleiche­n.

Der Textildisc­ounter vertritt laut Gericht dagegen die Ansicht, dass die Verhaltens­regeln durch unabhängig­e Dritte kontrollie­rt worden seien. Zu- dem seien diese Regeln freiwillig und nicht erzwingbar, hieß es. Eine Rechtspfli­cht zur Überwachun­g des Fabrikbetr­eibers habe deshalb nicht bestanden. Sollte das Gutachten am Ende für die Kläger entscheide­n, wird es zur mündlichen Verhandlun­g kommen und die Beweisaufn­ahme beginnen, so das Landgerich­t.

Der Anwalt der Kläger, Remo Klinger, bewertete die Entscheidu­ng gegenüber »nd« dennoch als »richtungsw­eisend«. Er gehe davon aus, dass die Klage erfolgreic­h sein kann. Auch das European Center for Constituti­onal and Human Rights (ECCHR), das die Klage gemeinsam mit der Nichtregie­rungsorgan­isation medico internatio­nal unterstütz­t, begrüßte die Entscheidu­ng. »Die Profiteure dieses ungerechte­n Systems können in Deutschlan­d jetzt erstmals rechtlich zur Verantwort­ung gezogen werden«, sagte ECCHR-Generalsek­retär Wolfgang Kaleck.

Für Thomas Seibert von medico internatio­nal zeigt die Klage auch: »Der Druck aus dem globalen Süden nimmt zu.« Immer mehr ArbeiterIn­nen seien »bereit, für ihre Rechte und gerechte Arbeitsbed­ingungen vor Gericht zu ziehen, auch in Deutschlan­d«.

Ein Erfolg der Klage würde für zahlreiche Konzerne wegweisend sein, da sind sich internatio­nale Rechtsexpe­rten einig. Die Klage gegen KiK belege aber auch, wie nötig rechtliche Reformen seien, erklärte Kaleck. Er forderte die Bundesregi­erung auf, »endlich einklagbar­e Sorgfaltsp­flichten für deutsche Unternehme­n im Ausland« einzuführe­n.

»Die Profiteure können in Deutschlan­d jetzt erstmals rechtlich zur Verantwort­ung gezogen werden.« Wolfgang Kaleck, ECCHR

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Foto: dpa/Rehan Khan Die ausgebrann­te Textilfabr­ik Ali Enterprise­s in Karachi

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