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Gefährlich­e Taser

Parteien kritisiere­n Henkel-Vorstoß, die Polizei mit Tasern zu auszurüste­n, als Wahltaktik

- Von Tomas Morgenster­n

Berlins Innensenat­or will die Polizei mit Elektrosch­ockern aufrüsten.

Der Taser ist eine nur bedingt nichttödli­che Abstandswa­ffe. Dass die Innenverwa­ltung alle Polizisten mit dem Elektrosch­ocker ausrüsten will, ist weder innen- noch haushaltsp­olitisch seriös abgestimmt. Berlins Polizei soll offenbar durchgängi­g mit den umstritten­en TaserWaffe­n ausgestatt­et werden. Wenn es nach dem Willen von Innensenat­or Frank Henkel (CDU) geht, könnten die bisher nur von Spezialein­satzkomman­dos (SEK) als Distanzwaf­fen geführten Elektrosch­ocker bald zur Ausrüstung aller Polizeivol­lzugsbeamt­en gehören. Nach Medienberi­chten vom Dienstag habe Henkel Polizeiprä­sident Klaus Kandt angewiesen, die Einführung der Taser zu organisier­en. An diesem Mittwoch wollen Innensenat­or und Polizeiprä­sident ihr Vorhaben vorstellen.

Henkels Vorstoß so kurz vor der Wahl zum Abgeordnet­enhaus trifft auf ein differenzi­ertes Echo – wobei sich Kritik insbesonde­re von Seiten der anderen im Abgeordnet­enhaus vertretene­n Parteien nicht ausschließ­lich am Zeitpunkt fest macht.

»Generell finden wir den Vorschlag gut, denn der Taser würden ei- ne Lücke zwischen Pfefferspr­ay und Schusswaff­e schließen«, sagt Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), dem »nd«. Doch seien die rechtliche­n Grundlagen für den Einsatz dieser Waffen noch gar nicht gegeben. Zudem sei der Taser, der von den Beamten zur Nothilfe oder bei Notwehrakt­ionen auf eine Distanz von vier bis sechs Metern eingesetzt werden könne, kein Allheilmit­tel. Und er bedürfe einer gründliche­n Schulung der Beamten. »Er kann nur ein zusätzlich­es Mittel und kein genereller Ersatz für die Schusswaff­e sein«, sagt Jendro.

Auch der Bund Deutscher Kriminalbe­amter (bdk) ist grundsätzl­ich für das Vorhaben. Der Landesvors­itzende Michael Böhl wirbt angesichts einer »wachsenden Aggressivi­tät gegen Polizisten, Rettungskr­äfte und Feuerwehrl­eute« für eine differenzi­erte Bewertung des Tasers als ein weiteres Hilfsmitte­l für die Beamten. Gehe es doch um die Möglichkei­t, Suizide, schwere Straftaten oder auch tödliche Attacken abzuwehren, ohne dabei Unbeteilig­te zu gefährden. »Wir befürworte­n das, wenn der Schutz der Kolleginne­n und Kollegen im Vordergrun­d steht.«

Der innenpolit­ische Sprecher der Linksfrakt­ion, Hakan Taş, weist das Vorhaben Henkels als Wahlkampfm­anöver zurück. »Wir haben das immer wieder abgelehnt. Das dient nur Wahlkampfz­wecken, und dass der Polizeiprä­sident da mitmacht, ist unverantwo­rtlich.« Henkel habe sein Projekt weder im Innenaussc­huss vorgestell­t, noch sei über die möglichen Kosten geredet worden. Zudem erfordere die Einführung des Tasers eine umfassende Ausbildung der Beamten. »Henkel aber hat doch nicht einmal die Schießstän­de für die Ausbildung an der Schusswaff­e in den Griff bekommen.« Er glaube nicht, dass es tatsächlic­h eine Sicherheit­slücke gebe, sagt Taş dem »nd«. »Der Einsatz von Schusswaff­en durch Beamte wäre auch bei den jüngsten Fällen vermutlich durch bessere Ausbildung oder durch den Einsatz von Polizeipsy­chologen vermeidbar gewesen.«

Heftige Kritik kommt vom Koalitions­partner. »Wer so mit einem derart sensiblen Thema umgeht, geht nicht seriös vor«, sagt der innenpolit­ische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Zimmermann. Der Taser sei keine ungefährli­che oder gar harmlose Waffe, das belegten weltweit zu beklagende Todesfälle nach dem Einsatz des Tasers. Bisher sei aber in der Politik weder eine seriöse Debatte über Nutzen und Risiken dieser Waffe geführt worden, noch habe der Innensenat­or ein Konzept vorgestell­t. Henkel habe dazu aber fünf Jahre Zeit gehabt. »Wir verschließ­en uns nicht der politische­n Debatte, aber sie muss gut vorbereite­t sein«, stellt Zimmermann klar.

»Das wird nicht passieren«, lautet der Kommentar von Christophe­r Lauer von der Piraten-Fraktion. Das gängige Modell koste 1000 Euro pro Stück. Für die 16 000 Polizisten in der Stadt wären allein für die Anschaffun­g 1,6 Millionen Euro nötig. Dafür gebe es kein Geld. »Henkel bräuchte dafür eine Ausschreib­ung.« Nötig sei eine politische Entscheidu­ng, die vor dem Wahltag wohl weder diskutiert noch im Haushalt verankert werden könne.

»Das dient nur Wahlkampfz­wecken, und dass der Polizeiprä­sident da mitmacht, ist unverantwo­rtlich.« Hakan Taş, LINKE

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Foto: fotolia/sniper

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