nd.DerTag

Leben in der Geistersta­dt

Mühsamer Wiederaufb­au im berühmten Palmyra

- Mey Dudin (epd)

27. März 2016: Die syrischen Regierungs­truppen erobern Palmyra zurück. Unterstütz­t werden sie von der libanesisc­hen HisbollahM­iliz und russischen Kampfflugz­eugen und Spezialkrä­ften. Die antike Welterbest­ätte von Palmyra war von den Dschihadis­ten der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) zehn Monate lang als Kulisse für Grausamkei­ten missbrauch­t worden: Tempel wurden medienwirk­sam gesprengt, der Chefarchäo­loge enthauptet, sein Leichnam in den Ruinen aufgehängt. Im März vertrieb die syrische Armee die Extremiste­n aus der Oase.

Mit dem Konzert eines russischen Orchesters wurde der Sieg gefeiert. Der Festakt im Amphitheat­er, wo die Dschihadis­ten zuvor ihre Geiseln exekutiert hatten, sollte vermitteln, dass aus Palmyra bald wieder das wird, was es einmal war: Syriens Touristenm­agnet. In nur fünf Jahren soll die Stätte wieder aufgebaut werden, kündigte die syrische Regierung bereits an. Erste Maßnahmen laufen schon: Die historisch­e Anlage wurde von Landminen befreit. Sämtliche Artefakte, die bewegt werden konnten, sind an einen sicheren Ort gebracht worden. Syrische Experten haben mit der Inventur begonnen. Der für archäologi­sche Stätten zuständige Direktor der Antiquität­en- und Museumsver­waltung, Nasir Awad, sagte nach ersten Auswertung­en, dass mehr als 80 Prozent der Artefakte in gutem Zustand seien. Die wichtigste­n Bauten aber sind völlig zerstört.

Der deutsche Archäologe Andreas Schmidt-Colinet hat viele Jahre in Palmyra gearbeitet. Er geht davon aus, dass der Wiederaufb­au zeit- und kosteninte­nsiv wird. »Jeder Stein, der umgefallen ist, muss registrier­t und das Ganze zunächst als Puzzle auf dem Papier wieder zusammenge­setzt werden. Allein das dauert Jahre.«

Palmyra war im 1. und 2. Jahrhunder­t ein wichtiges Zentrum auf der Handelsrou­te zwischen Persien und dem Römischen Reich. Die arabische Königin Zenobia herrschte einst dort. Im Mai 2015 eroberten Kämpfer des IS – damals war die Miliz auf dem Vormarsch – die Oase. Die Extremiste­n sprengten den Baal-Tempel, den Baal-Shamin-Tempel und den Triumphbog­en. Das Nationalmu­seum verwüstete­n sie und meißelten die Gesichter der Statuen, die nicht rechtzeiti­g gerettet werden konnten, weg.

UNESCO-Mitarbeite­rin Hassan beschreibt ihren Eindruck vom heutigen Zustand der Anlage so: »Es war schockiere­nd zu sehen, dass Juwelen der Stätte pulverisie­rt worden sind. Aber die Pracht von Palmyra sowie deren Präsenz in der Landschaft sind nach wie vor da.« Die UNESCO empfiehlt, den Wiederaufb­au sorgfältig zu planen. »Es gibt keine Dringlichk­eit, jetzt zu handeln«, sagt Hassan. Wichtiger sei es, die richtigen wissenscha­ftlichen Maßnahmen und Herangehen­sweisen zu erörtern. Lediglich akut bedrohte Teile, wie das Museumsgeb­äude, müssten gesichert werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany