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Ost-West-Rentenangl­eichung vorerst begraben

Rentenkass­e oder Steuermitt­el – Sozialmini­sterium und Finanzress­orts werden sich nicht über Finanzieru­ng einig

- Von Uwe Kalbe

Die Ost-West-Rentenangl­eichung ist für diese Legislatur­periode vom Tisch. Das muss aus einer Stellungna­hme des Sozialmini­steriums gefolgert werden. Es wird die Zeit kommen, da die Vorstellun­g, jemand könnte nach einem Arbeitsleb­en allein von seiner gesetzlich­en Rente leben, wie aus einer fernen Zeit klingen wird. Doch auch wenn es bereits immer weniger Rentner gibt, die diesen Luxus genießen können – so alt ist er noch gar nicht, der Spruch: »Die Rente ist sicher.« Das erste Mal sprach ihn der damalige Bundesarbe­itsministe­r Norbert Blüm im Jahr 1986 aus, da war von einer deutsch-deutschen Vereinigun­g und einer »Rentenüber­leitung« von Ost nach West noch nichts zu sehen. Als Blüm ihn 1997 in einer hitzigen Debatte im Bundestag wiederholt­e, »zum Mitschreib­en«, wie er unterstric­h, hatte die Politik bereits den Rentenabba­u zu planen begonnen, einen demografis­chen Faktor für die Rentenform­el erfunden. Und die OstWest-Unterschie­de in der Rentenbere­chnung führten zu anhaltend bösem Blut. Daran hat sich nichts geändert.

Inzwischen ist es zwar politische­r Konsens, dass es eine Rentenangl­ei- chung geben müsse. Immerhin hat 2013 auch die Regierungs­koalition dieses Vorhaben in ihren Vierjahres­plan aufgenomme­n.

Wie jüngste Meldungen ahnen lassen, ist das Projekt jedoch vorerst gestorben. Die Regierungs­partner können sich im Detail nämlich nicht einigen. Vordergrün­dig geht es um die Frage, aus welchen Mitteln Mehrausgab­en einer solchen Reform zu bestreiten wären. Wie die »Berliner Zeitung« berichtete, ist Sozialmini­sterin Andrea Nahles (SPD) trotz einer Forderung von Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) nicht bereit, die Mehrkosten aus der Rentenkass­e zu bezahlen. Die Zeitung verweist auf eine Anfrage der Grünen an das Sozialmini­sterium, in der Rentenexpe­rte Markus Kurth nach den Auswirkung­en der geplanten Angleichun­g der Ost-Renten auf den Rentenbeit­rag fragt. »Entspreche­nde Berechnung­en liegen der Bundesregi­erung nicht vor, da diese Maßnahme nicht geplant ist«, erklärte das Ministeriu­m daraufhin.

Den Gesetzentw­urf für die Renteneinh­eit hatte Nahles im Juli auf einer Tour in Mecklenbur­g-Vorpommern ihrem wahlkämpfe­nden SPDGenosse­n und Ministerpr­äsidenten Erwin Sellering quasi zum Geschenk gemacht. Dass der Entwurf zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal die Res- sortabstim­mung hinter sich gebracht hatte, mag nicht allen Ministerko­llegen gefallen haben. Zum Beispiel Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der an der Sache auch finanziell beteiligt ist. Denn Nah- les will die Kosten aus Steuermitt­eln bestreiten. Schäuble lehnte das umgehend ab und meinte zu Begründung, das Vorhaben sei »keine prioritäre Maßnahme«. Die Gegenfinan­zierung müsse daher »unmittelba­r, vollständi­g und dauerhaft im gleichen Politikber­eich, also der gesetzlich­en Rentenvers­icherung« sichergest­ellt werden, zitierte die »Berliner Zeitung«. Nahles’ Plan sieht eine Anhebung des Ost-Rentenwert­es in zwei Stufen ab dem 1. Januar 2018 vor, was 2018 und 2019 jeweils 1,8 Milliarden Euro kosten soll und im zweiten Schritt ab 2020 jährlich 3,9 Milliarden Euro teuer würde. Eine Summe von insgesamt fast acht Milliarden Euro in den ersten drei Jahren käme zusammen. Weil Nahles einen Anstieg der Rentenbeit­räge kategorisc­h ablehne, herrsche zwischen den beiden Ressorts seit Wochen Funkstille.

Die Opposition im Bundestag ist im Detail nicht einig, was die Rentenangl­eichung angeht. Zwar fordern LINKE und Grüne wie am Dienstag auch die mächtige Organisati­on der Volkssolid­arität, dass die Finanzieru­ng aus Steuermitt­eln bestritten werde. Während Markus Kurth von den Grünen jedoch dem Nahles-Plan im Prinzip beipflicht­et und von beiden Ministern diplomatis­ch eine »pragmatisc­he Lösung« anmahnte, pocht Matthias Birkwald von der LINKEN seit jeher neben der Rentenangl­eichung auf eine Beibehaltu­ng der bisherigen Höherbewer­tung der ostdeutsch­en Einkünfte bei der Rentenbere­chnung. Mit Agenturen

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