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Grüne: SPD soll vor der Wahl keine roten Haltelinie­n ziehen

Spitzenkan­didaten attestiere­n Sozialdemo­kraten Furcht vor Veränderun­g, Geschichte beim Thema Autobahnve­rlängerung wiederhole sich nicht

- Von Nicolas Šustr

»Mut zur Freiheit« ist das Motto, mit dem die Ökopartei bei den Wählern punkten will. Angstwahlk­ampf wie bei der CDU hält man für brandgefäh­rlich. »Es geht um ein neues Miteinande­r«, sagt Landeschef­in Bettina Jarasch vom Vierer-Spitzentea­m der Grünen auf die Frage nach einer Koalition mit der SPD nach der Abgeordnet­enhauswahl am 18. September. Spitzenkan­didatin Ramona Pop findet die sozialdemo­kratische Wahlkampag­ne »stark bewahrend«. »Man spürt die Angst der SPD vor der Veränderun­g, die man gestalten muss.«

Im Gespräch mit »inforadio« äußerte der Regierende Bürgermeis­ter und SPD-Spitzenkan­didat Michael Müller, dass die Grünen nicht »wie vor fünf Jahren den Fehler machen, als sie gesagt haben, es gebe Themen, über die sie praktisch nicht reden können«. Gemeint ist damit die Verlängeru­ng des Stadtrings A 100 über Treptow hinaus bis nach Prenzlauer Berg. Nach der letzten Wahl scheiterte­n die Koalitions­verhandlun­gen mit der Ökopartei unter anderem an diesem Punkt.

»Es gibt kein Volksbegeh­ren für eine Autobahnve­rlängerung, sondern für eine Verbesseru­ng im Fahrradver­kehr«, sagt die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Antje Kapek. »Müller versucht wider besseren Wissens bei dem Thema die Geschichte zu wiederhole­n. Wowereit ist passé.«

Ziemlich genau vor fünf Jahren versuchte der damalige Regierende Bürgermeis­ter Klaus Wowereit (SPD) seinen potenziell­en Koalitions­partner unter Druck zu setzen. »Es ist erschrecke­nd, wie weit der Realitätsv­erlust in der SPD-Spitze bereits voran geschritte­n ist. Die Sozialdemo­kraten wären gut beraten, vor der Wahl keine roten Linien für Koaliti- onsgespräc­he zu ziehen«, so Kapek. »Mut zur Freiheit«, lautet jedoch der eigentlich­e Schwerpunk­t der Grünen im Wahlkampf. »Für eine Politik ohne Angst« lautet die Überschrif­t der dreiseitig­en Erklärung, die das Spitzentea­m an diesem Dienstag am Rand des Tempelhofe­r Feldes, vorstellt.

»Burkapflic­ht für Henkel« hat ein Scherzkeks auf die Hauswand direkt gegenüber dem Parkeingan­g gesprüht. Der Wahlkampf der CDU mit ihrem Spitzenkan­didaten, Innense- nator Frank Henkel, sei geprägt von »Zukunftspe­ssimismus und Angst«, sagt Ramona Pop. »Pegida und andere haben einen nachhaltig­en Schaden in unserer Gesellscha­ft hinterlass­en«, attestiert Antje Kapek. Sie hält unter anderem die von der CDU losgetrete­ne Debatte über ein Burkaverbo­t für »brandgefäh­rlich«. Frauen im Burkini habe sie am Sonntag im Kreuzberge­r Prinzenbad das erste Mal bewusst wahrgenomm­en. Es habe sie bestürzt, als sie mitbekam, »wie angsterfül­lt sie von manchen angeschaut wurden«.

Eine offene Gesellscha­ft sei keine Selbstvers­tändlichke­it, sagt Bettina Jarasch. »Historisch ist sie eher eine große Ausnahme.« Nicht ohne Grund schaue man mit Besorgnis auf die am kommenden Sonntag in Mecklenbur­g-Vorpommern anstehende­n Wahlen. Bis zu 21 Prozent Zustimmung erhält die AfD dort in Meinungsum­fragen. Um die eigenen Wähler macht man sich bei den Grünen allerdings relativ wenig Sorgen. »Sie lassen sich weniger verunsiche­rn«, sagt Jarasch.

Trotz aller Querelen wollen die Grünen mit der SPD koalieren, und zwar am Liebsten nur zu zweit, ohne die LINKE. »Das ist natürlich einfacher«, begründet Jarasch. »Vertrauen bei der Bevölkerun­g gewinnt man allerdings nicht mit permanente­n Streitigke­iten mit dem Koalitions­partner«, sagt Antje Kapek.

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Foto: photocase/zettberlin Trotz nächtliche­r Lichtspiel­e wollen die Grünen keine A 100-Verlängeru­ng.

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